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Das Laecheln der Fortuna - Director s Cut

Das Laecheln der Fortuna - Director s Cut

Titel: Das Laecheln der Fortuna - Director s Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gabl
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„Auf der anderen Seite steht ein Baum, an dem wir runterklettern können. Es besteht kein Grund, dass wir uns auf diesem albernen Ausflug den Hals brechen.“
    Robin sah an der Mauer hinauf und nickte. „Also, los. Du zuerst.“
    Er machte eine Räuberleiter. Lionel legte eine Hand auf seine Schulter, stellte den rechten Fuß in Robins ineinander verschränkte Hände und stieg hoch. Er richtete sich auf, ließ die Schulter los, stützte sich an der Mauer ab und reckte sich. Es ging. Er bekam die Kante zu fassen und zog sich mit seinen kräftigen Armen hinauf. Er brachte sich in eine sitzende Haltung, ließ die Beine baumeln und spähte hinunter in die Dunkelheit. „Und jetzt?“
    „Leg dich auf den Bauch, lass die Beine zur anderen Seite herunterhängen und zieh mich hoch. Ganz einfach.“
    „Oh ja. Wirklich ganz einfach. Warum lasse ich mich nur immer auf deine Torheiten ein, Waringham, kannst du mir das sagen?“
    Robin streckte ihm die Hand entgegen. „Wer ist der größere Tor? Der Tor oder der Tor, der ihm folgt?“
    Lionel wusste wie so oft keine Antwort. Er tat, wie ihm geheißen, und schließlich saßen sie beide keuchend oben auf der Mauer. Sie spürten nicht mehr, dass die Septembernacht kühl war. Sie waren sogar ein bisschen ins Schwitzen gekommen. Sie verschnauften einen Augenblick, bevor sie sich an den Abstieg begaben. Der Baum war eine alte Weide und für ihren Zweck denkbar gut geeignet. Seine Äste reichten fast bis zum Boden. Ohne Schwierigkeiten gelangten die Ausreißer hinunter.
    „Ich hoffe nur, Oswin hat unsere Verabredung nicht verschlafen“, raunte Robin. „Dann war die ganze Mühe umsonst.“
    „Wehe“, schnaubte Lionel. „Ich schlag ihm seine Pferdezähne ein, wenn er uns versetzt!“
    „Ho, Mönchlein, große Worte für eine halbe Portion wie dich“, lachte eine leise Stimme hinter ihnen. „Hier bin ich schon.“ Aus dem Schatten löste sich eine dunkle Gestalt und kam auf sie zu.
    „Ich wünschte, du würdest mich nicht immer so nennen“, sagte Lionel unglücklich.
    „Wie? Mönchlein? Aber das bist du doch, oder etwa nicht?“ Er beachtete Lionel nicht weiter und boxte Robin freundschaftlich auf die Schulter. „Waringham, alter Galgenvogel. Lass uns zuerst das Geschäft erledigen, wenn’s dir recht ist.“
    Sein Ton hatte sich leicht verändert. Seit Oswin in den Stimmbruch gekommen war und seine Schultern so breit wie die seines Vaters geworden waren, war er für die Klosterschüler ein gottähnliches Idol, das sie mit unerschütterlicher Hingabe verehrten. Oswin behandelte sie dementsprechend mit gebotener Herablassung. Sein Vater war Stallknecht und kümmerte sich um die kleine Schar Pferde und Maultiere, die die Abtei von St. Thomas besaß. Oswin war seines Vaters Gehilfe. Er arbeitete hart von früh bis spät, bereitete seit dem Tod seiner Mutter für sie beide die Mahlzeiten, wurde nicht selten spät am Abend zum Wirtshaus gerufen, um seinen betrunkenen Vater abzuholen, und erntete gelegentlich zum Dank ein blaues Auge. Niemand dachte im Traum daran, ihn zur Schule zu schicken, ihm Lesen beizubringen und all die anderen Dinge, die die Schüler des klösterlichen Internats lernten. Oswin würde immer bleiben, was er war. Und trotzdem beneideten sie ihn, die Söhne von Landadligen und reichen Kaufleuten. Um seine Freiheit und seine prahlerische Männlichkeit.
    Nur auf Robin hatte er weder mit Großspurigkeit noch mit seinen meist gutmütigen Einschüchterungen Eindruck machen können. Er verstand nicht, warum das so war. Möglicherweise lag es daran, dass er kaum mehr einen halben Kopf größer war, trotz der zwei Jahre Altersunterschied. Tatsache war jedenfalls, dass er Robin von all diesen kleinen Bücherwürmern am liebsten mochte, und ihm allein gestattete er Zugang zum Pferdestall.
    Robin legte einen Farthing in seine ausgestreckte Hand. Oswin ließ die kleine Münze mit einem zufriedenen Grinsen verschwinden. „Ziemlich knauserig für einen reichen Mann.“
    Robin schüttelte kurz den Kopf. „Bringst du uns dafür hin oder nicht?“
    Oswin tat, als zögere er. Als er feststellte, dass Robin nicht noch einmal in die kleine Tasche am Ärmel seiner Kutte greifen würde, brummte er mit gespielter Verstimmtheit: „Meinetwegen. Dann kommt.“
    Er wandte ihnen den breiten Rücken zu, und die beiden Jungen folgten ihm eilig. Sie liefen etwa eine Meile über die feuchten Wiesen, die das Kloster umgaben. Dann gelangten sie an ein kleines Flüsschen, das sie auf

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