Entfuehrt
Prolog
»Wir wollen in Gefechtslagen bestehen, die uns unter größtmöglichen Druck setzen, größtmögliche Intensität mit sich bringen und die größtmögliche Gefahr darstellen. Wenn man solche Situationen gemeinsam durchsteht, entsteht eine Bindung, die durch nichts übertroffen wird.«
Offizier des SEAL-Teams 6
Lieutenant Junior Grade Jake Hansen hatte bereits so oft »Scheiße« vor sich hin gemurmelt, wie es ihm in weniger als einer Minute möglich war. Er konnte gar nicht wieder damit aufhören, bis sein Kamerad von den Navy SEALs, der auch gleichzeitig sein bester Freund war, ihn aufforderte, endlich die Klappe zu halten, damit er Jakes »scheiß« Bizeps bandagieren könne.
Es war bloß eine Fleischwunde, aber sie tat trotzdem höllisch weh – und sie blutete. Nicht dass er Ersteres je zugeben würde. Und aufhalten würde ihn das schon gar nicht, obwohl Nick sich ohnehin nicht die Mühe machte, ihm irgendwas in der Art vorzuschlagen. Vermutlich lag es nicht nur daran, dass Nick schon fast den ganzen Nachmittag mit einer Stressfraktur seines Schienbeins durch die Gegend gelaufen war, und das am Ende einer Mission, die schon in den ersten fünf Minuten gründlich in die Hose gegangen war.
Diese ersten fünf Minuten waren inzwischen drei Tage her. Jetzt waren sie damit beschäftigt, so schnell wie möglich aus Djibouti zu verschwinden. Das Wasser – und der Treffpunkt mit ihrem Teamscharfschützen, dem Senior Chief und dem kommandierenden Offizier – war nur fünf Meilen entfernt.
»Das sind bloß Rebellen – die schießen nicht auf uns«, sagte Nick ruhig in das Mikro seines Headsets, während das Geschützfeuer ratterte und im Westen den Nachthimmel erleuchtete.
»Ich wäre ihnen aber beinah auf den Leim gegangen«, murmelte Jack. Seine Wut richtete sich allerdings mehr gegen sich selbst, weil es ihm nicht gelungen war zu verhindern, dass die Kugel ihn getroffen hatte, und nicht gegen das gelegentliche Sperrfeuer. Dieses Land wurde ständig von kleinen Scharmützeln und kompromisslosen Kriegen gebeutelt, aber keine dieser Auseinandersetzungen war für das SEAL-Team 12 Grund zur Sorge. Sie waren gezwungen gewesen, sich zu trennen, um ihre Mission zu erfüllen und die verschwundene Ausrüstung und die Geheimdienstinformationen sicherzustellen. Jetzt waren sie auf dem Heimweg.
Nick lauschte noch immer der Stimme in seinem Headset. Er war so konzentriert, dass Jake seinen eigenen Funk einschaltete.
»Weibliche Geisel gemeldet … einen Kilometer Richtung Norden … von den Rebellen dem Tod überlassen«, sagte der Senior Chief des Teams, obwohl die Verbindung kurz vor dem Zusammenbruch stand.
»Wer hat die Geisel gemeldet?«, fragte Jake.
»Die Quelle gilt als verlässlich. Entwicklungshelfer vom Roten Kreuz haben einen Anruf bekommen, und auch die Flüchtlinge, die nach Norden ziehen, haben davon berichtet. Sie hatten Angst, anzuhalten und die Frau mitzunehmen – sie wollten keine Aufmerksamkeit auf den Umstand lenken, dass sie überlebt hat. Könnt ihr da hinkommen?«
»Bestätigt. Wir kommen«, sagte Nick.
In Gedanken ging Jake die Route durch. Sie mussten eine Meile den Weg zurückgehen, den sie gekommen waren. In Richtung der Feuerlinie. Nick und er begannen mit gezogenen Waffen ihr Marschgepäck auf den Rücken zu wuchten, während sie weiter dem Bericht lauschten.
»… die Tochter der Senatorin Cresswell … sie ist Ärztin … Vorname Isabelle, Nachname Markham … einunddreißig … vermisst seit zweiundsiebzig Stunden … soll entführt worden sein …«
Jake zeigte den anderen den Weg, während sie sich quer durchs dichte Unterholz kämpften. Sie wählten einen Weg, der sie von der Hauptstraße wegführte. Es war leicht zu begreifen, warum sie die kleine Hütte beim ersten Mal übersehen hatten. Sie war perfekt von Büschen getarnt und in der Dunkelheit absolut nicht auszumachen.
Falle?, fragte Nick in Zeichensprache.
Behutsam ging Jake das Terrain ab, während Nick ihm mit der Waffe im Anschlag folgte. Es waren offensichtlich keine Stolperdrähte gespannt worden, und als sie zur Vorderseite der Hütte kamen, sah er, dass sie keine Tür besaß.
Dem Tod überlassen. Jakes Magen hatte sich schon zusammengezogen, als er von dieser Gräueltat nur gehört hatte, aber die Realität traf ihn wie ein Hieb in die Magengrube, als sie Dr. Isabelle Markham schließlich fanden. Alle seine Zweifel an dem Wahrheitsgehalt des Berichts lösten sich in Luft auf, als er und Nick sich in den
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