Das Lächeln der Kriegerin
vereinzelte Söldnertrupps und einmal, kurz vor Mittag, begegneten sie sogar einem schwer bewaffneten Ritter mit seinem Gefolge. Sicher kam er aus Iden. Vielleicht gar aus Arminas. Die Oststra ße war zu Beginn der Grenzkriege angelegt worden, um die kürzeste Verbindung zwischen der Feste und Arminas zu bilden. Damals lagen auf ihrem Weg keine weiteren Ortschaften und bis auf eine entstanden alle späteren Siedlungen entweder nahe der Grenzfeste oder der Königsstadt. Nur in Iden, etwa auf halber Strecke zwischen den beiden Städten am Fluss Bhal, hatten sich um einen alten Rasthof Händler, Handwerker und Bauern niedergelassen. Doch selbst das lag mehr als acht Tagesreisen westlich ihres Hofs.
Am Nachmittag erreichten sie Waldruh, das letzte Dorf auf ihrem Weg. Adar wollte in diesen Zeiten keinen Nod verschwenden und so hielt er nicht am Gasthaus. Auf einer kleinen Wiese hinter dem Dorf aßen sie ein wenig Brot und Dörrfleisch. Auf der Oststraße war nun weniger Verkehr und gegen Abend erreichten sie den kleinen Weg, der zu ihrem Hof führte. Tass lenkte bereits ein, als sie vor ihnen auf der Straße zwei Männer bemerkten, die sie anriefen. Adar zügelte das Pferd und schaute misstrauisch zu den Rufern. »Was wollt Ihr?«
»Wir sind zwei arme Wanderer«, antwortete der größere der beiden, die nun auf den Wagen zuschritten. »Es wird Abend und wir haben nichts im Magen und noch weniger um ihn zu füllen. Könnt Ihr uns aushelfen?«
»Wir besitzen selbst nicht viel, doch etwas Brot könnt Ihr haben.«
»Und doch sieht Euer Wagen wohl beladen aus.«
Lothiel sah, wie Adar nach dem dicken Knüppel neben sich tastete, als er antwortete: »Das mag sein, doch sind es die Vorräte, von denen meine Frau, meine Tochter und ich den Winter über leben müssen.«
»Eine außergewöhnlich hübsche Tochter habt Ihr«, erwiderte der Große in freundlichem Tonfall und griff Tass in die Zügel.
»Sicher benötigt Ihr nicht all Eure Vorräte und vielleicht könnt Ihr auch ein paar Nod entbehren, ohne dass dem hübschen Ding etwas zustößt.«
Adar richtete sich auf und hielt den Knüppel drohend vor sich. »Nehmt das Brot und verschwindet!«
Der Mann schlug seinen groben Mantel zurück, unter dem er einen langen, an beiden Enden zugespitzten Stock versteckt hatte. Als sei das ein vereinbartes Zeichen, zog sein Kumpan, ein muskulöser, gedrungener Kerl, der ebenfalls einen grauen Mantel trug, einen Knüppel hervor, der den des Vaters im Durchmesser noch übertraf. Dabei wich sein breites Grinsen, das er schon die ganze Zeit zur Schau getragen hatte, einem noch breiteren, das seinem Gesicht mit dem hängenden rechten Augenlid ein überaus hinterhältiges Aussehen gab. Der andere Schurke mit dem freundlichen Gesicht trat näher an den Wagen heran.
»Steig nach hinten, Loth!«, befahl Adar.
Lothiel kletterte zitternd auf die Ladefläche. Die beiden Kerle flößten ihr Angst ein. Vater war früher ein Krieger gewesen, doch nun war er alt und die Gegner waren zu zweit. Wie ein verschrecktes Kitz kauerte sie sich zwischen die Säcke und Fässer und starrte hinauf zu Adar. Der stand drohend aufgerichtet auf dem Wagen und schwang seinen Knüppel, während die beiden Wegelagerer sich ihm von zwei Seiten näherten. Lothiel schoss der Gedanke in den Kopf, sie müsse ihrem Vater helfen. Doch was sollte sie tun? Es ging hier nicht darum, einen Vogel oder ein Eichhörnchen vom Baum zu holen. Sie hatten es mit zwei ausgewachsenen Halunken zu tun. Nicht ohne Grund hatte Adar ihr befohlen, auf der Ladefläche Schutz zu suchen.
Plötzlich sprang der Hinterhältige auf den Wagen zu, wobei er mit der Keule ausholte und nach Adars Beinen schlug. Doch der war schneller, wich aus und zog dem Schurken seinen Knüppel über den Schädel. Lothiel wollte schon jubeln, als sie den Kerl zu Boden sinken sah, doch im selben Moment rammte der Große von der anderen Sei te seinen Stock in Vaters Oberschenkel. Mit einem Schmerzensschrei knickte Adar ein, der Schuft griff seinen Arm, zog ihn vom Wagen und aus Lothiels Blickfeld.
Sie richtete sich auf. Vater lag mit dem Rücken auf dem Boden. Sein Gegner saß auf ihm und schlug auf ihn ein. Jetzt gab es keinen Ausweg mehr. Sie zog ihre Schleuder aus dem Gürtel – wie gern hätte sie jetzt ihren Bogen gehabt. Sie suchte in der Tasche nach dem größten Stein, den sie finden konnte, und legte auf den Schurken an. Sie musste sich konzentrieren, um nicht zu sehr zu zittern, und obwohl sie den Anblick ihres
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