Das Land der Pelze
ihrer Race eigenthümlichen Feigheit. In der Zeit des Hungers aber konnten sie durch ihre Anzahl wohl furchtbar werden, und da ihre Erdbaue hier waren, mußte man daraus schließen, daß sie diese Gegend auch im Winter nicht verlassen würden.
Eines Tages brachten die Jäger nach Fort-Esperance ein grundhäßliches Thier ein, welches weder Mrs. Paulina Barnett, noch der Astronom Thomas Black bisher zu Gesicht bekommen hatten. Dieses Thier war ein dem amerikanischen Vielfraß sehr ähnlicher Plattsüßter, ein abschreckendes Raubthier mit untersetztem Körper, kurzen, durch furchtbare Krallen bewehrten Beinen und gewaltigen Kinnladen, seine Augen waren lauernd und wild, und das Rückgrat geschmeidig, wie überhaupt bei dem Katzengeschlechte.
»Was ist das für ein gräuliches Thier? fragte Mrs. Paulina Barnett.
– Madame, erwiderte Sabine, der mit Vorliebe etwas dogmatische Antworten gab, ein Schotte würde Ihnen sagen, daß es ein ›Quickhatch‹ sei; bei einem Indianer wäre es ein ›Ockelcoo-haw-gew‹; bei einem Canadier ein ›Carcajon …‹
– Und bei Euch Anderen, fiel Mrs. Barnett ein, ist es …
– Ein ›Vielfraß‹, Madame«, erwiderte Sabine, offenbar selbstbefriedigt von seiner lehrreichen, gebildeten Antwort.
In der That ist Vielfraß die richtige zoologische Bezeichnung für diesen eigenthümlichen Vierfüßler, einen gefährlichen Nachtstreicher, der in hohlen Bäumen oder Felsenlöchern rastet, Biber, Moschuskatzen und andere Nagethiere eifrig verfolgt und ein erklärter Feind der Füchse und Wölfe ist, denen er sogar ihre Beute noch streitig zu machen wagt. Uebrigens ist er ein sehr listiges, muskelstarkes Thier von scharfem Geruchsinne, das sich auch in den höchsten Breiten vorfindet, und dessen kurzhaariges, schwarzes Winterfell in der Ausfuhr der Compagnie nicht die untergeordnetste Rolle spielt.
Bei den Ausflügen schenkte man aber auch der Pflanzenwelt dieselbe Aufmerksamkeit wie der Thierwelt. Die Pflanzen waren natürlich nicht so reich an Arten als die Thiere, da sie nicht wie diese die Fähigkeit besitzen, während der schlechten Jahreszeit ein milderes Klima aufzusuchen. Fichten und Tannen wuchsen noch am meisten auf den Hügeln, welche das östliche Ufer der Lagune bekränzten. Jasper Hobson bemerkte auch einige »Tacamahacs«, eine Art Balsam-Pappeln von großer Höhe, deren Blätter bei der ersten Entfaltung von gelber, bei voller Entwickelung von grünlicher Farbe sind. Doch diese Bäume waren selten, ebenso wie einige schwindsüchtige Lärchenbäume, welchen die schräg auffallenden Sonnenstrahlen kaum das Leben fristeten. Gewisse Schwarztannen gediehen besser, vorzüglich in den gegen die Nordwinde geschützten Bodensenkungen. Ueber das Vorkommen dieses Baumes war große Freude, denn seine Sprossen verwendet man bei der Herstellung eines geschätzten, in Nordamerika unter dem Namen »Pine-ale« oder »Pine-porter« bekannten Bieres. Man verschaffte sich einen reichlichen Vorrath solcher Sprossen, der in dem Speisegewölbe des Fort-Esperance geborgen wurde.
Die weiteren Pflanzen bestanden aus Zwergbirken, niedrige, kaum zwei Fuß hohe Gesträuche, welche den kalten Klimaten eigenthümlich sind, und aus Zwergwachholderbüschen, die ein zur Heizung sehr taugliches Holz liefern.
Sonst waren Nährpflanzen, welche auf diesem geizigen Boden wild gewachsen wären, sehr selten. Mrs. Joliffe, die sich für die »positive« Botanik stark interessirte, konnte nur zwei Pflanzen finden, welche sie der Verwendung in ihrer Küche würdig erachtete.
Die eine, eine Wurzelzwiebel, welche schwer aufzufinden war, da ihre Blätter mit Eintritt der Blüthe sehr schnell abfallen, wurde als der gemeine Lauch erkannt. Derselbe lieferte eine reichliche Ernte an Zwiebeln von Eigröße, die als Gemüse genossen wurden.
Die andere Pflanze, im ganzen Norden Amerikas unter dem Namen »Labradorthee« bekannt, wuchs in großer Menge zwischen den Weidengebüschen und anderem Gesträuche am Ufer der Lagune und war das Lieblingsfutter der Polarhasen.
Dieser Thee bildet, mit siedendem Wasser aufgegossen und mit wenig Brandy oder Gin versetzt, ein vortreffliches Getränk, und gestattete jene im Vorrath angesammelte Pflanze an dem vorhandenen chinesischen Thee wesentlich zu sparen.
Sergeant Long und Madge beim Fischfange. (S. 133.)
Um aber einem Mangel an pflanzlicher Nahrung zu entgehen, hatte Jasper Hobson eine reichliche Menge Samenkörner zur Aussaat in passender Jahreszeit mitgebracht,
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