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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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der Armee des Königinnenreiches war, von der Invasion wissen. Die Wilden hatten Gewehre, das Königinnenreich nicht.
    Es ging mich nichts an. Maggie hatte es so verfügt.
    Ich führte die Schafe weiter hinaus, als ihnen lieb war, zu der Weide oberhalb von Zwiekreuzen. Die Dämmerung nahte, als wir neben dem Apfelfluss anhielten. Lilien und grüne Binsen wuchsen dicht an den Ufern, und die Wiesen leuchteten orangefarben von den Ringelblumen. Die silbergrünen Blätter der Pappeln zitterten in der warmen Brise. Der lange Sommernachmittag dehnte sich golden um mich herum aus, nach Klee und wilder Minze und dem sauberen, stechenden Geruch des Flusses duftend.
    Eines der Schafe blökte kläglich, vielleicht weil es erschöpft war oder weil ich sein Lamm geschlachtet hatte. Das Schaf hatte noch nicht vergessen.
    Und auch ich konnte nicht vergessen. Gar nichts, weder die Gegenwart noch die Vergangenheit. Die Gegenwart war Maggie, die im Gasthaus auf mich wartete, Streit im Sinn hatte und zweifellos während meiner Abwesenheit immer zorniger wurde. Maggie, mit der ich einmal und nur einmal ins Bett gegangen war und die nun glaubte, sie würde mich besitzen. Und die Vergangenheit war alles andere.
    Ich konnte Maggie belügen. Ich konnte mich auch selbst belügen, aber nicht sehr lange. Es war kein Zufall, dass ich die dummen Schafe bis nach Zwiekreuzen geschleift hatte. Hier war Lord Carush Spenlows Köchin ihren Verbrennungen erlegen, und hier hatten die Smallings sie gewiss begraben. »Die Wilden suchen noch jemanden«, hatte Lord Carush gesagt. »Sie haben die Dienerschaft befragt.«
    Nein, ich war nicht nur zufällig hier.
    Ich würde den Pfad der Seelen betreten.
    Seit meinem letzten Mal waren über zwei Jahre vergangen. Aber alles in mir– Nerven, Knochen, das Prickeln auf meiner Haut– erinnerte sich an die Fähigkeit, mit der ich geboren worden war und die ich nutzte, seit ich sechs Jahre alt war. Nein, das stimmte nicht– ich hatte meine Fähigkeit nicht genutzt. Andere hatten sie benutzt, und auch mich, für ihre eigenen Zwecken. Sie hatten mir den Tod angedroht, falls ich es nicht tat. Aber nicht jetzt. Hier, jetzt, auf der Weide von Zwiekreuzen über dem Apfelfluss, würde ich mich selbst dafür entscheiden, den Pfad der Seelen ins Land der Toten zu betreten.
    Was, wenn ich es nicht mehr konnte? Was, wenn ich durch Reife oder mangelnde Übung oder eine andere unergründliche Ursache meine Gabe verloren hatte? So hatten es Königin Caroline und Mutter Chilton bezeichnet: meine Gabe. Ich hatte diese Gabe gehasst und sie eingesetzt, um am Leben zu bleiben, und am Ende hatte ich sie missbraucht, um Maggie zu retten. Daraufhin hatte ich sie nur noch mehr gehasst. Aber sie gehörte mir– und das Leben in Apfelbrück hatte mein Bedürfnis danach wieder aufgefrischt.
    Schmerzen sind nötig, Schmerzen und ein Loslassen, das paradoxerweise eine Frage des Willens ist. Ich band die Schafe an einen Walnussbaum, legte mich auf den grasigen Hügel und zog mein Messer mit der heilen Hand. Schnell, schnell, ehe ich es mir anders überlegen konnte, stach ich mir mit der Spitze des Messers in den Oberschenkel, und es geschah.
    Dunkelheit …
    Kälte …
    Erstickender Dreck in meinem Mund …
    Würmer in meinen Augen …
    Erde, die meine fleischlosen Arme und Beine umschloss …
    Aber nur einen Augenblick lang. Ich war immerhin nicht tatsächlich tot. Der Vorgeschmack des Todes war nur im kurzen Augenblick des Übertritts da, des Falls durch die Barriere, die niemand außer einem Hisaf durchdringen kann, nicht einmal die Toten selbst. Eine massive Barriere, fest und weit wie die Erde selbst, die Barriere des Grabes. Ich versuchte zu schreien und konnte es nicht, weil Erde mir den Mund füllte. Ich versuchte, mit den Armen um mich zu schlagen und konnte es nicht, weil über meinen nackten Knochen keine Muskeln und kein Fleisch mehr waren. Dann war es vorbei. Die Erde war fort, meine Knochen waren wiederhergestellt, und ich hatte den Pfad der Seelen hinter mir. Ich stand da und blickte mich um.
    Das Land der Toten ist wie unser Land, aber merkwürdig gedehnt und manchmal verzerrt. Ein paar Schritte auf einer Hochlandweide mochten hier eine halbe Meile sein oder zwei Meilen oder fünf. Oder es konnte genau gleich weit sein. Manchmal gab es hier unsere Flüsse und Wälder und Hügel, aber manchmal auch nicht. Das Land der Toten ist weiter als unseres, und ich glaube, es hat sich über die Zeit verändert, genauso wie das unsere,

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