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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
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»das Schönste, wenigstens das Längste« des Dorfes zu sein. Sie »läuft um dasselbe an einer Berghöhe vorüber; das Örtchen selber aber durchschneidet ein kleiner Bach«. Er erwähnt an Gebäuden neben einem »gewöhnlichen Schloss« und der Kirche nur das Pfarrhaus, in dem er vom dritten bis zum 13. Lebensjahr wohnte, den Tod zweier jüngerer Schwestern erlebte und auch sein Schreib- und Leseleben begann. Später daran zurückdenkend, spürte er noch den »Wohlgeruch verwelkter Kindheitsjahre« , grüßte aus zeitlicher Ferne die Dorfleute, und da sein Leben lang immerfort irgendwo Kriege tobten, wünschte er ihnen: »Jede Schlacht ziehe weit von ihnen vorbei«.
    Es war die sorgloseste Zeit seines Lebens, ärmlich, doch ohne Not. Zwar hatte die stets wachsende Familie nicht genug Betten, so dass der jüngere Bruder Gottlieb beim Adam und der Fritz beim Vater schlafen musste, aber das Einkommen des Vaters hatte sich fast verdoppelt, und man war zum Selbstversorger geworden, weil die Pfarre, zu der fünf Orte gehörten, auch Acker und Weiderechte besaß. In den zum Pfarrhaus gehörenden Ställen standen Rinder und Schweine, auf dem ummauerten Hof lärmten Hühner und Gänse, und zwei Mägde, die in der Gesindestube schliefen, gingen der Hausfrau zur Hand. Die Bauern des Dorfes, die nicht nur für den Gutsherrn, sondern auch für die Kirche zu fronen hatten, mussten die Feldarbeit machen, bei der der Pfarrer, der sie beaufsichtigte, ein wenig half. Dass auch der älteste Sohn manchmal mit anpacken musste, war selbstverständlich, änderte aber nichts an der Ausnahmestellung, die er unter den Kindern des Dorfes besaß.
    Da der Pfarrer nicht nur geistliche Aufgaben zu erfüllen hatte, sondern als Standesbeamter wirkte, der Leumundszeugnisse auszustellen hatte und die Rekrutierungslisten führte, wurde ihm im Dorf mit Respekt begegnet, was in seinem Sohn schon früh das Bewusstsein weckte, anders als die anderen Dorfkinder, nämlich privilegiert zu sein. Das verschärfte einerseits die Isolierung, in der er von seinem Vater gehalten wurde, machte sie andererseits aber auch erträglich, weil es ein unerschütterliches Selbstvertrauen in ihm weckte, das als starkes Ich-Bewusstsein in Erscheinung trat. Dessen Erwachen beschrieb er später wie einen mystischen Vorgang, wie einen plötzlichen Akt der Emanzipation von allem, was ihn umgab. »An einem Vormittag stand ich als ein sehr junges Kind unter der Haustür und sah links nach der Holzlege, als auf einmal das innere Gesicht, ich bin ein Ich, wie ein Blitzstrahl vom Himmel vor mich fuhr und seitdem leuchtend stehen blieb: da hatte mein Ich zum ersten Male sich selber gesehen und auf ewig.«
    Unbewusst war diese Selbstvergewisserung auch gegen den Vater gerichtet, dessen Erziehung auf Einordnung in die Hierarchie der Gesellschaft gerichtet war. Um den Jungen in die Rolle des Pfarrersohns einzuüben, ließ er ihn sonntags den »Fronbauern der Woche« das »gesetzmäßige Halbpfundbrot samt Geld« austragen und nahm ihn zu Besuchen bei seinen Amtsbrüdern in den benachbarten Pfarrdörfern mit. Aus nichtigem Anlass nahm er ihn aus der Dorfschule, die der Junge gern besucht hatte, um ihn zu Hause selbst zu unterrichten, rühmte sich oft seiner guten Beziehungen zur Gutsherrschaft und stärkte im Sohn das Bewusstsein, von deren Gnade abhängig zu sein.
    Diese Abhängigkeit war tatsächlich vorhanden, da der grundbesitzende Adel, der keine Steuern zu zahlen hatte, nicht nur die von ihm abhängigen Bauern beherrschte, sondern im Gutsbezirk auch die Polizeigewalt ausübte, die niedere Gerichtsbarkeit innehatte und neben der Schulaufsicht auch das Patronat über die Kirche besaß. In Preußen, wo Friedrich Wilhelm I. im Interesse der Souveränität des Königs die politische Macht des Adels gebrochen hatte, blieb dessen Vorherrschaft doch innerhalb der Gutsbezirke bestehen. In Kleinstaaten wie Ansbach-Bayreuth hatte der Adel sich teilweise den Fürsten noch nicht völlig untergeordnet, so dass 1791, als das Fürstentum preußisch wurde, der Kabinettsminister von Hardenberg in einigen Fällen erst mit militärischer Gewalt drohen musste, ehe sich der Adel zur Huldigung des Preußenkönigs entschloss. Auch als verordnet wurde, dass in den Kirchen das Gebet für den König vor dem für den Gutsherrn zu stehen habe, stieß das beim Adel auf Widerstand.
    Über die gutsherrliche Willkür bei der Berufung von Pastoren und Lehrern kann man viel Erschreckendes oder auch Lustiges in der

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