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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter de Bruyn
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späten Mittelalter zwar auch von Hohenzollern regiert wurde, aber von denen der weniger bedeutenden fränkischen Linie, deren letzter kinderloser Spross das inzwischen mit Ansbach vereinigte Ländchen 1791 an seine preußischen Verwandten für eine lebenslange Rente abgeben wird. Doch nur bis 1806 wird Ansbach-Bayreuth bei Preußen bleiben, dann wird es der siegreiche Napoleon an Bayern verschenken, wo es bis auf unsere Tage verblieb.
    Wesentlichen Einfluss auf Jean Pauls Leben und Denken haben diese Staatsangehörigkeitswechsel nicht ausüben können, wohl aber die Tatsache, dass das Umfeld, in dem er aufwuchs, das armer Leute war.

Wohlgeruch
der Kindheitsjahre
    Jean Paul war Sohn und Enkel von Schulmeistern, und das hieß damals: von Hungerleidern. Sein Großvater verdiente als Rektor im oberpfälzischen Städtchen Neustadt am Kulm 150 Gulden im Jahr. »Sein Schulhaus war ein Gefängnis, zwar nicht bei Wasser und Brot, aber doch bei Bier und Brot; denn viel mehr als beides – und etwa frömmste Zufriedenheit dazu – warf ein Rektorat nicht ab.« Und an dieser »Hungerquelle für Schulleute stand der Mann 35 Jahre lang«.
    Jean Pauls Vater war es anfangs nicht besser ergangen. Auf dem Gymnasium in Regensburg hatte er sich als Kostgänger der Kirche, Alumnus genannt, durchhungern müssen, hatte als Student der Theologie in Jena und Erlangen weiter gehungert und dann, da Stellen für Pfarrer und Lehrer rar waren, zehn Jahre irgendwo bei Bayreuth als Hauslehrer gedient. Als er sich 1760 endlich eine Stelle als Lehrer und Organist in Wunsiedel für geliehene fünf Gulden erkaufen und seine Braut Sophia Rosina Kuhn, die Tochter eines Tuchmachers aus Hof, heiraten konnte, war er schon 32 und noch ärmer dran als der Großvater, weil er nicht Rektor war, auch nicht Subrektor, sondern nur Tertius, also dritter Lehrer, dessen Jahresgehalt von 119 Gulden zum Erhalt einer Familie nur reichte, wenn Taufen, Hochzeiten und Leichenfeiern zusätzliches Kleingeld für das Orgelspiel brachten oder die Zahl der Schüler, die den Schulgroschen zahlten, wuchs. Nur für die Kinder der Ärmsten der Armen war der Schulbesuch kostenlos.
    Die theologische Laufbahn hatte Jean Pauls Vater nur eingeschlagen, weil armen Studenten kein anderer Studienzweig offengestanden hatte, seine Liebe aber hatte der Musik gehört. Sein Talent dafür hatte sich schon in der Schulzeit gezeigt. Der Gymnasiast hatte in der Kapelle des Fürsten von Thurn und Taxis am Klavier mitwirken können, und später als Pfarrer hatte er selbst Kirchenmusik komponiert. Um aber den Schritt in die unsichere Existenz eines Künstlers zu wagen, hatte es ihm an Selbstverwirklichungswillen gemangelt, der seinem ältesten Sohn dann in starkem Maße zuteil geworden war. Unglücklich aber war er nicht darüber geworden, er hatte sich vielmehr als eindrucksvoller Prediger bewährt. Da er sich aber auch in Gesellschaften als unterhaltsamer Plauderer erwiesen hatte, war ihm die Gunst der Freifrau von Plotho auf Zedtwitz zuteil geworden, die ihm eine ihrem Patronat unterstehende Pfarrstelle verschafft hatte, von der seine Familie leichter als in der Wunsiedeler Lehrerstelle zu ernähren war.
    Am 1. August 1765 bezogen also der Pfarrer Richter, seine Frau Rosina, der zweieinhalbjährige Friedrich und sein einjähriger Bruder Adam das Pfarrhaus des bei Hof gelegenen Dorfes Joditz, das Jean Paul in seiner späten Autobiographie sein »Erziehdörfchen« nannte, weil sich in ihm seine Weltsicht ausgebildet hatte, die für eine Seite seines doppelgesichtigen Werkes und für manche seiner Lebensentscheidungen ausschlaggebend war. Seine Herkunft von armen Leuten und sein Behagen an dörflicher oder kleinstädtischer Enge wollte und konnte er nie verleugnen, so dass er später in Weimar dem Patriziersohn Goethe als ein wunderliches Wesen erscheinen musste und Schiller von ihm sagte: »Fremd wie einer, der aus dem Mond gefallen ist« .

Abb.3: Joditz an der Saale. Aquarell von König. 1788
    In seiner fragmentarischen Autobiographie hat der alte Jean Paul später seine Kindheit in Joditz als Idylle geschildert, die in den Einzelheiten aber oft wenig Idyllisches hat. Da dort erst sein bewusstes Leben begonnen hatte und er dort auch »das Wichtigste für den Dichter« , nämlich »das Lieben« erlernt hatte, schien ihm das Dorf sein wahrer, nämlich geistiger Geburtsort zu sein. Die Sächsische Saale, »gleich mir am Fichtelgebirge entsprungen, war mir bis dahin nachgelaufen« und schien ihm

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