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Das Leben in 38 Tagen

Das Leben in 38 Tagen

Titel: Das Leben in 38 Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Scheidecker
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wiederkehrenden
Loslassen, in dem, dass stets eines auf das andere folgt, führen sie
schließlich zu einem Ziel, zu einem Ende oder einem großen Ganzen.
    So
kann man selbst den Lebensweg, an dessen Ende mit Sicherheit der Tod steht,
damit vergleichen. Am Ende sind wir alle Teil eines großen Ganzen, Teil der
Erde, Teil des Universums und in manchen seltenen Augenblicken kann man dies
empfinden. Und dieses Gefühl macht nicht etwa Angst, im Gegenteil; man fühlt
sich frei und leicht, getragen von etwas, über das man sich keine Sorgen zu
machen braucht, weil es außerhalb unserer Macht steht...
    Ob
den anderen Pilgern auch solche philosophischen Gedanken kamen? Ich konnte gar
nichts dagegen tun, sie ergriffen einfach von mir Besitz, als ob der Weg mir
etwas sagen wollte, und ich wollte ja auch etwas hören. Vielleicht war es ja
auch nur die Euphorie, diesen Weg geschafft zu haben. Ich war unheimlich stolz,
glücklich und dankbar und von diesen Gedanken erfüllt schlief ich dann auch
irgendwann ein.
    Und
der nächste Morgen weckte uns mit strahlendem Sonnenschein! Was für ein Glück
wir doch hatten! An diesem Freitag, dem 18. Mai 2007, dem 37. Tag meiner
Wanderung, würde ich Santiago erreichen, genau wie ich es mir vorgestellt
hatte. Nach einem kleinen Frühstück in dem großen Speisesaal machte ich mich
mit Sonja auf den Weg. Immer mit Blick auf die Stadt auf sanft abfallenden
Wegen fiel uns alles ganz leicht und wir genossen jeden Schritt. Nach einer
halben Stunde erreichten wir das unspektakuläre Ortseingangsschild von Santiago
de Compostela an einer viel befahrenen Straße und nach einer weiteren halben
Stunde fanden wir uns in der Altstadt wieder.
    Plötzlich
sah ich ein bekanntes Gesicht, das mich auch erkennend anlächelte; es war der
nette junge Lockenkopf aus dem Schwarzwald, den ich zu Beginn meiner Reise
getroffen hatte. Als er hörte, dass es mir wieder gut ging, strahlte er noch
mehr, denn er hatte mich nach meinem Sturz mit meinem blauen, geschwollenen
Gesicht erlebt. Dann führte er uns bis zum Pilgerbüro neben der Kathedrale.
Dabei erzählte er, dass er schon vor ein paar Tagen hier angekommen war und
auch schon am Kap Finisterre gewesen sei. Gerade wollte er noch einige
Geschenke kaufen, um morgen mit dem gleichen Flugzeug wie ich nach Hause zu
fliegen.
    „Und,
hast du dich für dein Studium entschieden?“, wollte ich von ihm wissen. „Ja,
ich werde Medizin studieren!“, sagte er fröhlich und sein Lachen wirkte
unbeschwert.
    Wir
liefen durch die morgendliche, romantische Altstadt und plötzlich standen wir
auf dem riesigen Platz vor der imposanten Kathedrale. Mit ihren vielen
verschiedenen Türmen , Fenstern und Verzierungen
erschien sie mir wunderschön, aber zu meiner Enttäuschung entdeckte ich keine
weiteren Bekannten. So liefen wir erst einmal zum Pilgerbüro, um unsere
Urkunden abzuholen. Ganz unspektakulär mussten wir uns nun in einem alten,
holzgetäfelten Haus mit einer großen Steintreppe in einer Schlange anstellen
und warten, bis wir an der Reihe waren.
    Irgendwie
schien sich der Kreis jetzt zu schließen, denn ich fühlte mich noch einmal an
den Beginn meiner Reise versetzt, als ich mit Martin in St.-Jean-Pied-de-Port
zum ersten Mal in einem Pilgerbüro stand und auf meinen ersten Stempel und die
ersten Informationen wartete. Damals wie heute spielten Aufregung und Stolz
Fangen in meinem Kopf. Aber nun war mein Herz übervoll mit Eindrücken. Auf
einmal waren alle ganz ernst und nervös. Kaum einer sagte etwas. Alle
beobachteten nur, wie einer nach dem anderen an den antiquarischen Schalter
trat, etwas ausfüllte, ein paar Worte mit einer der drei Angestellten sprach
und dann stolz seine Urkunde in Empfang nahm.
    Endlich
war ich an der Reihe! Nun musste ich ausfüllen, wann ich wo gestartet war, wo
ich herkam und ob ich entweder 1. aus religiösen Gründen oder 2. aus religiösen
und anderen Gründen oder 3. nur aus anderen Gründen gepilgert war.
Wahrheitsgetreu machte ich mein Kreuzchen in der zweiten Spalte: „aus
religiösen und anderen Gründen.“ Dabei sah ich, dass dies die meisten Pilger
getan hatten. Nach der Überprüfung meines Pilgerausweises schrieb die Spanierin
ungerührt mit der Hand meinen Namen auf Lateinisch in die Urkunde: „ Corneliam Scheidecker “.
Vorsichtig nahm ich sie in Empfang. Es war eine sehr schöne Urkunde mit einem
muschelverzierten Rahmen und dem Bild des heiligen Jakobus im oberen Teil. Die Schrift stach fein geschwungen und dunkel auf

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