Das Leben in 38 Tagen
nicht nehmen, mich zum Bus zu begleiten, der
mich zum Flughafen bringen sollte. Auch sie wollte noch zum Kap Finisterre,
denn zu meiner Freude fühlte sie sich wieder richtig gut. Wir beide umarmten uns
und nahmen Abschied mit dem Versprechen, voneinander zu hören. Im Bus, in dem
schon einige Bekannte saßen, verabschiedete ich mich in Gedanken von der Stadt,
von meinem selbst gewählten Ziel und von meinem Weg. Ich hatte das geschafft,
was ich mir vorgenommen hatte; nun war es an mir, das Erlebte, dieses reiche,
besondere Geschenk, so zu verarbeiten, dass es mein Leben nachhaltig positiv
beeinflussen würde. Für mich war es eine einmalige Erfahrung, die ich so nicht
noch einmal erleben konnte.
Manche
Pilger wollten den Weg ja immer und immer wieder laufen, sie hatte der
Pilgervirus erfasst, so wie Wilfried aus Bremen, den ich zu Beginn meiner Reise
getroffen hatte, wie Helen aus Dänemark, Aghi aus
Frankreich und viele andere. Manche waren nur ein Stück gelaufen, so wie
Heidemarie oder Annemarie aus Kiel, die sich nun fest vorgenommen hatte, einmal
den ganzen Weg zu laufen, oder wie Elisabeth, Maria, Helga und Alfred, die
jedes Jahr ein Stück liefen.
Jeder
muss seinen eigenen Weg finden und gehen, um glücklich zu sein. Das ist unsere
Aufgabe im Leben, davon bin ich überzeugt. Je weniger wir dabei von anderen
erwarten und uns von Zwängen und Erwartungen anderer beeinflussen lassen, umso
größer ist die Chance, unser Glück in unserem eigenen Herzen zu finden. Ein
Kind ist grundsätzlich glücklich, wenn es satt ist und die Liebe seiner Eltern
spürt. Es hat unendliches Vertrauen.
Vielleicht
gelingt es uns ja, diese Zufriedenheit und dieses Vertrauen wieder zu
erreichen, bis wir am Ende unseres Lebens angekommen sind, wenn sich der Kreis
schließt und wir auf ein hoffentlich erfülltes Leben zurückblicken können. Wir
dürfen unsere Träume nicht auf später verschieben, sondern wenn wir von der
Richtigkeit überzeugt sind, sollten wir ihre Verwirklichung in Angriff nehmen.
Ich
glaube, wenn es uns gelingt, im Leben unseren Weg, unsere Aufgabe, unser Glück
zu finden, dann können wir es auch schaffen, leichter loszulassen, Abschied zu
nehmen, zu sterben. Irgendwann gibt es für jeden von uns nur noch den
„So-ist-das-Weg“. Dann dürfen wir nicht mehr kämpfen, weil es nichts mehr zu
ändern gibt. Dann müssen wir annehmen. Das Alter, den Tod, die unheilbare
Krankheit, den Abschied eines geliebten Menschen. Tiziano Terzani sagt in seinem Buch „Das Ende ist mein Anfang“: „Eben dieses ständige Trennen
zwischen dem, was uns gefällt oder nicht gefällt, ist doch ein Grund, warum wir
nicht glücklich sind. Erst wenn wir akzeptieren, dass alles zusammengehört,
dass alles eins ist, dass wir nichts von uns weisen, wird es uns vielleicht
gelingen, unseren Geist zu beruhigen und unsere Ängste in den Griff zu
kriegen.“
Daran
werde ich weiter arbeiten und ich möchte mir jeden Tag einen Augenblick Glück
und Dankbarkeit bewusst machen, so wie ich es auf dem Jakobsweg getan habe. Ich
bin unheimlich froh, diesen Weg gegangen zu sein, aber mir ist auch klar, dass
ich ihn unter anderen Umständen nicht gegangen wäre. Es kommt darauf an, offen
und bereit zu sein für eine Chance und Richtungsänderung in unserem Leben,
vielleicht bevor wir Resignation, Trauer und Schmerz zu viel Platz gegeben
haben.
Nachwort
„Es
sollte aber niemand mit der Erwartung dorthin reisen, das Gleiche wie ich zu
finden. Denn jeder macht aus allem, was ihm begegnet — sei es ein Ort, ein
Mensch, oder ein Ereignis -stets das, was er im Moment braucht. Und nichts
beeinflusst unsere Sicht der Realität so sehr wie unsere Phantasie.“
Diese
Sätze stammen nicht etwa von mir, obwohl sie so gut zu meinem Buch passen, wie
ich finde, sondern von Tiziano Terzani aus seinem
wundervollen Buch „Noch eine Runde auf dem Karussell“, in dem es um die große
Reise des Lebens und um das Sterben geht. Zu Beginn meines Buches hat mich Hape Kerkeling tief beeinflusst und am Ende war es Tiziano Terzani , der mir in vielen Dingen aus der Seele gesprochen
hat. Auf die Bücher des ehemaligen „Spiegel“-Journalisten, der viele Jahre in
verschiedenen Ländern Asiens, in Italien, Deutschland und den USA gelebt und
gearbeitet hat, bin ich erst während meines Schreibens gestoßen. Erstaunt
stellte ich fest, wie viele Parallelen es zwischen unseren Sichtweisen auf das
Leben im Allgemeinen und das Reisen im Besonderen gibt. Natürlich kann ich
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