Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das letzte Buch

Das letzte Buch

Titel: Das letzte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Zivkovic
Vom Netzwerk:
lesen.
    Ich hörte das Klappern der Tasten, aber meine Hände lagen auch weiterhin im Schoß. Mein Blick glitt über die Tastatur
|189|
mit den Buchstaben vor mir. Wie von unsichtbaren Fingern berührt, drückten sie sich rasch nach unten und kamen zurück. Wieder
     richtete ich die Augen auf den Monitor. Gerade war ein Passus zu Ende geschrieben. Ich rückte näher heran und begann zu lesen.
    Ich wartete nicht, dass sich das Schreiben fortsetzte
.
Ich sprang vom Stuhl auf, wobei ich ihn umstieß, und rannte zur Tür. Aber die Wand, in der sie sich befand, war nun gänzlich
     von Büchern verdeckt. Ungläubig schaute ich mich um, dachte, ich hätte die Richtung verwechselt, die Tür sei an einer anderen
     Wand. Doch von allen Seiten umgaben mich Bücherregale. Es gab keinen Ausgang aus diesem Zimmer. Der Schrei, der aus meiner
     Kehle drang, machte mich ganz taub.

|190| 34.
    Als Vera mich schreien hörte, kam sie ins Schlafzimmer gelaufen. Ihre erschrockene Miene zeigte mir besser als jeder Spiegel,
     wie ich aussah. Ich saß auf dem Bett und starrte mit weit geöffneten Augen vor mich hin. Sie blieb zögernd an der Tür stehen,
     ehe sie zu mir kam. Sie setzte sich neben mich und legte mir die Hand auf die Wange.
    »Wieder?«
    Ich sah sie einige Augenblicke an, als würde ich sie nicht erkennen, dann nickte ich.
    »Das wird etwas Ernstes! Wir dürfen uns nicht mehr lieben.«
    Ich legte meinen Kopf auf ihre Schulter. Sie strich mir übers Haar.
    »Doch, wir werden uns lieben. Es wird keine Albträume mehr geben.«
    Sie rückte ein wenig ab, sodass ich den Kopf hob.
    »Woher weißt du das?«
    »Ich weiß es. Es ist fertig.«
    »Was ist fertig?«
    Ich antwortete nicht gleich. Mir fehlten die Worte.
    »Alles …«, sagte ich schließlich, wohl wissend, wie ungenügend und beunruhigend meine Antwort war.
    »Alles?«, fragte sie.
    Ich zog meine Finger durchs Haar und blickte aus dem Fenster. Der Regen fiel vor dem nächtlichen Hintergrund.
    |191| »Es regnet noch immer«, sagte ich, um das Thema zu wechseln. Ich war noch nicht imstande und bereit, mich auf eine Erklärung
     einzulassen.
    Sie sah mich forschend an, dann akzeptierte sie rücksichtsvoll den Themenwechsel.
    »Morgen wird endlich schönes Wetter. Ich habe es in den Nachrichten gehört.«
    »Das wird auch Zeit! Wenn wir schon bei der Zeit sind: Wie spät ist es eigentlich?«
    »Fast neun Uhr.«
    »Neun? Du hättest mich nicht so lange schlafen lassen sollen!«
    »Ich hätte dich geweckt, wenn ich sicher gewesen wäre, dass du Albträume hast. Aber ich hatte gehofft …«
    Ich wollte ihr sagen, es sei gut gewesen, dass sie mich deshalb nicht geweckt habe, doch das hätte uns wieder zu dem Thema
     geführt, dem ich vorerst gern ausgewichen wäre.
    »Das war eigentlich ein Tagtraum.«
    Sie lächelte.
    »Ja. Es gab noch mehr Gründe, dich zu wecken, aber ich habe es nicht getan. Dein neues Handy hat geläutet. Ich habe beide
     Handys aus dem Schlafzimmer getragen.«
    »Das neue?«, fragte ich ungläubig.
    »Das neue, ja. Danach ist eine SMS an dich gekommen.«
    »Aber wie ist das möglich? Du weißt doch als Einzige von dem neuen!«
    Sie zuckte die Schultern.
    »Haben etwa die vom Amt …«, entfuhr es mir, doch dann fiel es mir ein. »Fräulein Bogdanović!«
    Ich sprang fast aus dem Bett.
    »Olga?«
    »Ja. Ihr habe ich auch die neue Nummer gegeben. Damit sie es zuerst mir meldet, wenn in der Buchhandlung etwas passiert.«
    |192| »Das hast du mir nicht gesagt. Hätte ich es gewusst, dann hätte ich dich geweckt.«
    »Ich habe vergessen, es dir zu sagen. Das war verkehrt! Es schien mir nicht wichtig.«
    »Wahrscheinlich ist es nichts Ernstes. Sonst hätte sie sich wohl bei mir gemeldet, als sie dich nicht erreicht hat.«
    »Hoffen wir’s! Wo sind die Telefone?«
    »In der Küche.«
    Wir eilten beide dorthin. Ich griff nach dem neuen Handy. Der nicht entgegengenommene Anruf war um acht Uhr und sieben Minuten
     erfolgt.
    »Ist das ihre Nummer?«, fragte ich Vera und zeigte auf das kleine Display.
    Sie nickte.
    Die SMS war von derselben Nummer aus geschrieben. Abgesendet sechs Minuten später. Ich begann zu lesen.
    ICH HABE ANGERUFEN, ABER SIE WAREN NICHT DA. ICH SOLLTE IHNEN MITTEILEN, WENN ETWAS PASSIERT. VIELLEICHT IST ES WICHTIG. ALS SIE AM SAMSTAG HIER WAREN, HAT SICH EIN KUNDE EIN BUCH RESERVIEREN LASSEN. ERINNERN SIE SICH? ICH HABE ES UNTER DIE KASSE GELEGT. ER HÄTTE ES HEUTE HOLEN SOLLEN, HAT ER ABER NICHT. ALS ICH ES WIEDER INS REGAL STELLEN WOLLTE, SAH

Weitere Kostenlose Bücher