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Das letzte Buch

Das letzte Buch

Titel: Das letzte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Zivkovic
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die andere Richtung weiter. Vielleicht gab es da wieder Türen. Die Endlosigkeit ist überaus lang!
    Doch es erwies sich, dass sie ganz kurz war. Als ich mich wieder umgedreht hatte, befand ich mich nicht mehr in dem unabsehbaren
     Gang. Das Ende lag direkt vor mir. Der Gang endete mit einer Wand, in der eine Tür war. Diese unterschied sich von allen bisherigen.
     Sie war kein Teil des Samthintergrunds, von dem sie sich nur durch die Längseinschnitte abhob – die Tür, vor der ich stand,
     war vielmehr aus schwerem braunem Holz mit einer verzierten Messingklinke.
    In Kopfhöhe befand sich ein ebenfalls gelbes Schild. Ich musste ein wenig zurücktreten, um zu lesen, was darauf stand: DAS
     LETZTE BUCH. Seltsam, dass so etwas an der Tür stand. Ich hielt mein Ohr an das Messing und lauschte, aber |187| es war nichts zu hören. Ich wartete ein wenig, dann klopfte ich. Niemand antwortete.
    Es verging noch geraume Zeit, bis ich die Klinke ergriff und behutsam die Tür aufzog. Ich erwartete, es werde sich endlich
     jemand von der anderen Seite melden, doch von dort drang nur Stille. Als ich die Tür weit genug geöffnet hatte, blickte ich
     verstohlen hinein.
    Ich war auf alle möglichen Absonderlichkeiten gefasst, nicht aber auf ein normales Arbeitszimmer. Die Wände waren fast völlig
     verdeckt von Bücherregalen. In der Raummitte stand zwischen drei Sesseln ein niedriger, runder Tisch mit einer Glasplatte.
     In dem Blumentopf darauf prangten drei ziegelrote Blüten. In den Zimmerecken, die ich sehen konnte, standen zwei hohe, schlanke
     Lautsprecher.
    Gegenüber der Tür befand sich ein großer Schreibtisch. Die einzige Beleuchtung im Raum bot die Tischlampe neben dem Monitor,
     deren Lichtstrahl auf die Tastatur und die Maus auf einer gelben Unterlage fiel. Hinter dem Schreibtisch war über das hohe
     Fenster ein undurchsichtiger dunkelroter Vorhang gezogen.
    Ich blieb an der Tür, zögerte hineinzugehen. Drinnen war niemand, dennoch war ich ein Eindringling. Was hatte ich in einem
     fremden Arbeitszimmer zu suchen?! Im selben Moment erschien mir der Anblick, der sich mir bot, nicht ganz fremd. Es war, als
     hätte ich ihn schon irgendwo gesehen, aber das kam wohl daher, weil alle Räume, in denen Schriftsteller arbeiten, einander
     ähneln.
    Jedenfalls sah es hier viel angenehmer aus als in dem düsteren Gang, in dem ich gestanden hatte. Ich trat ein, schloss die
     Tür hinter mir und dachte, mir würde schon eine Ausrede einfallen, wenn derjenige, dem das hier gehörte, erschiene. Im Übrigen
     wollte ich nichts Unziemliches tun. Mich nur ein bisschen umschauen. Ich liebe Bücher!
    Bei der spärlichen Beleuchtung konnte ich nicht alle Titel |188| erkennen, aber unter denen, die ich sah, war keiner, den ich nicht gern in meiner eigenen Bibliothek gehabt hätte. Wenn der
     Besitzer käme, könnte ich anbieten, ihm alle Bücher abzukaufen. Ohne weitere Prüfung. Ich war überzeugt, mir würden auch die
     übrigen Werke gefallen, die mir unsichtbar blieben.
    Nachdem ich die Regale an allen vier Wänden angeschaut hatte, stand ich einen Moment in der Mitte des Zimmers und überlegte,
     was ich tun sollte. Vielleicht konnte ich ein Buch lesen – aber besser, ich nahm keines! Dem Besitzer würde das sicher nicht
     gefallen. Auch ich sähe es nicht gern, wenn ein Fremder in meiner Bibliothek kramen würde.
    Ich ließ mich auf einem Sessel nieder und blieb da sitzen, bis ich ungeduldig wurde. Ich hatte nicht so einen langen Weg durch
     den endlosen Gang zurückgelegt, um hier ewig herumzusitzen! Ich stand auf und ging zu dem einzigen Platz im Raum, wo ich noch
     nicht gewesen war. Ich rollte den Arbeitsstuhl zurück und setzte mich an den Schreibtisch.
    Die Hände hielt ich im Schoß. Hier schickte es sich noch weniger, irgendetwas anzufassen, als im Regal. Doch ich konnte nicht
     dasitzen und nichts tun. Als reagierte der Monitor auf meine Nähe, wurde er in dem Moment hell, als ich auf seine dunkle Oberfläche
     blickte. Der schwarze Hintergrund wechselte zu Weiß, und dann begann im oberen Teil ein Text. Er schrieb sich ganz von selbst.
    Ich hörte das Klappern der Tasten, aber meine Hände lagen auch weiterhin im Schoß. Mein Blick glitt über die Tastatur mit
     den Buchstaben vor mir. Wie von unsichtbaren Fingern berührt, drückten sie sich rasch nach unten und kamen zurück. Wieder
     richtete ich die Augen auf den Monitor. Gerade war ein Passus zu Ende geschrieben. Ich rückte näher heran und begann zu

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