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Das letzte Buch

Das letzte Buch

Titel: Das letzte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Zivkovic
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tödlich. Egal, welche Wirkung es hatte, die Aussicht, dass ich zu Tode käme,
     wenn ich so mit bloßen Händen darauf stieße, war bedeutend größer, als wenn die gut ausgerüstete Equipe des Hauptkommissars
     es entdeckte.
    Obwohl ich begriff, dass mein Bemühen umsonst war, hörte ich nicht auf, die Regale durchzusehen. Aus mehreren Gründen. Ich
     hatte nichts anderes zu tun. Zwar hätte ich ein Buch nehmen, mich in den Sessel setzen und lesen können, doch dazu war ich
     überhaupt nicht in Stimmung. Außerdem, hätte ich aufgehört, so hätte ich mich unweigerlich in einen Disput mit dem Hauptkommissar
     begeben, und das gefiel mir ebenfalls nicht. Und ich bezweifle, dass Vera meinen Rückzieher gutgeheißen hätte.
    Schließlich blieb ich auch deshalb am Regal stehen, weil wieder der Eindruck des bereits Gelesenen in mir aufstieg. Während
     mein Blick über die Buchrücken glitt, schien er sich zu verstärken, und er nahm ab, wenn ich zur anderen Seite schaute. Als
     wäre das Buch, an das ich mich zu erinnern suchte, hier irgendwo vor mir und übte eine Wirkung auf mich aus, doch sie war
     trügerisch, sie entglitt mir wie ein Wort, das einem auf der Zunge liegt, aber man kommt einfach nicht darauf.
    Gerade richtete ich mich auf, nachdem ich den unteren Teil |181| eines Regals durchgesehen hatte, als mich plötzlich ein Gedanke auf halbem Wege nach oben innehalten ließ. Ich verband zwei
     Dinge miteinander, die bisher getrennt gewesen waren: Stand der Eindruck des schon Gelesenen, der mich verfolgte, in Verbindung
     mit dem
letzten Buch
?
    Ich fuhr zusammen, als Vera mir auf die Schulter tippte. So in Gedanken versunken hatte ich nicht bemerkt, wie sie zu mir
     gekommen war.
    Sie lächelte.
    »Du bist ja wie weggetreten!«
    Ich gab ihr Lächeln zurück.
    »Ich war in Gedanken.«
    »Möchtest du Tee trinken? Oder darfst du vielleicht deine Arbeit nicht unterbrechen?«
    Sie hob den Blick zur Decke.
    »Natürlich darf ich das. Tee käme mir gerade recht.«
    »Ich werde ihn von der Teestube bringen lassen. Welchen möchtest du?«
    »Am liebsten Feigentee, aber ich glaube, dafür ist es noch zu früh. Dann vielleicht Algentee. Den kann man zu jeder Zeit trinken.«
    Vera warf mir einen kurzen, bedeutsamen Blick zu und ging dann ins Hinterzimmer, um zu telefonieren.
    Etwa zehn Minuten später kam ein schlitzäugiger Junge, nicht älter als zwölf Jahre, in einem dunkelroten Blazer und engen
     Hosen herein. Geschickt klappte er den Regenschirm mit einer Hand zu, ging mit Schritten fast wie eine Ballerina zum Verkaufstisch
     und stellte ein Tablett mit einer Teekanne und zwei Tassen ab. Ohne den Schirm beiseitezulegen, schenkte er uns den Tee ein.
    Ich zog mein Portemonnaie heraus, doch der Junge schüttelte den Kopf.
    »Papa sagt, dann zahlen, wenn kommt in Teestube.«
    Erst als ich die Stimme hörte, merkte ich, dass es ein Mädchen |182| war. Sie verneigte sich und glitt graziös, beinahe schwebend, aus der Buchhandlung.
    Als wir wieder allein waren, blickte ich Vera ungläubig an.
    »Der Papa?«
    »Auch ich war verblüfft, als ich es erfuhr.«
    »Vielleicht ist es nicht so ungewöhnlich?«
    »Wie meinst du das?«
    »Wenn man eine unbegrenzte Menge Schmetterlingspulver-Tee zur Verfügung hat …«
    »Sie ist sehr nett, nicht wahr?«, unterbrach mich Vera. »Dachtest du auch zuerst, sie sei ein Junge?«
    Ich nickte.
    »Merkwürdig, wie das Aussehen täuschen kann«, sagte sie.
    »Ja, merkwürdig. In meinem Beruf werde ich ständig damit konfrontiert.«
    Mir schien, als wollte Vera etwas darauf erwidern, doch sie überlegte es sich anders, wahrscheinlich deshalb, weil wir abgehört
     wurden. Sie nahm einen Schluck Tee, dann wechselte sie wieder das Gesprächsthema.
    »Heute ist nicht viel los hier.«
    »Abgesehen von dem Gedränge heute Vormittag.«
    »Ja, davon abgesehen. Ich frage mich, ob das nur deshalb ist, weil montags in der Frühschicht ohnehin die wenigsten Besucher
     kommen, besonders, wenn es regnet. Oder ist unser Ruf bereits so ruiniert, dass uns die Kundschaft meidet?«
    »Ich bin sicher, der Grund ist der verregnete Montag. Da müsste einer schon süchtig nach Büchern sein, wenn er zu dieser Zeit
     und bei solchem Wetter in die Buchhandlung geht!«
    »Aber dass auch kein einziger Kunde kommt?!«
    »Sieh das als günstigen Umstand an. Je weniger Kunden da sind, desto geringer ist die Aussicht, dass jemand durch das
letzte Buch
zu Schaden kommt.«
    »Aber ohne Kundschaft können wir den Laden

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