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Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen

Titel: Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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Einritt in die Stadt zu schildern, als er auch schon von einer spindeldürren Frau unterbrochen wurde, die sich durch den Kreis der Männer hindurchdrängte und keifte: »Kommt gar nicht in Frage, Cully! Die Suppe ist jetzt schon nicht dicker als Schweiß.« Ihr Gesicht war schmal und bleich, mit feurigen, lohfarbenen Augen, und ihr Haar hatte die Farbe von Heu.
    »Und wer ist dieser lange Lümmel hier?«, wollte sie dann wissen. Sie musterte Schmendrick, als wäre er etwas, das man an der Schuhsohle kleben findet. »Keiner aus der Stadt. Sein Aussehen missfällt mir. Schneidet ihm den Hals ab.«
    Ihre Worte glitten wie nasser Seetang Schmendricks Rückgrat hinab. Er plumpste von Jack Jinglys Pferd und stellte sich vor den Räuberhäuptling hin. »Ich bin Schmendrick der Zauberer«, verkündete er und schwenkte dabei seinen Mantel durch die Luft, bis er sich schwächlich blähte. »Solltest du wirklich der berühmte Captain Cully aus den grünen Wäldern sein, der Kühnste der Kühnen, der Freieste der Freien?«
    Einige der Räuber kicherten, und die Frau stöhnte: »Ich hab’s gewusst! Nehmt ihn aus, von der Lunge bis zum Lügenbeutel, sonst macht er’s dir wie der Letzte.« Der Hauptmann jedoch verbeugte sich geschmeichelt, was einen beträchtlichen Kahlschlag an seinem Hinterkopf sichtbar machte, und erwiderte: »Der bin ich. Ein Tiger meinen Feinden, ein Hirte meinen Freunden. Wie seid ihr hierher gekommen, Herr?«
    »Auf meinem Bauch«, sagte Schmendrick, »und ohne es zu wollen, nichtsdestoweniger in guter Absicht! Obwohl deine Donna das bezweifelt.« Die schmächtige Frau spuckte aus.
    Captain Cully grinste und legte vorsichtig seinen Arm um die eckigen Schultern der Frau. »Molly Grue ist halt so«, erklärte er. »Sie passt besser auf mich auf als ich selber. Ich bin sorglos und großzügig, bis zur Extravaganz vielleicht. Allen Flüchtlingen vor Tyrannei eine hilfreiche Hand, das ist meine Devise. Es ist nur natürlich, dass Molly misstrauisch, störrisch, vorzeitig gealtert, knausrig und ein bisschen herrschsüchtig geworden ist. Doch sie hat ein Herz aus Gold, ein Herz aus Gold.« Die Frau riss sich von ihm los, aber der Hauptmann achtete nicht darauf. »Ihr seid hier willkommen, Herr Hexenmeister«, sagte er zu Schmendrick. »Komm ans Feuer und erzähl uns deine Geschichte. Was spricht man in deiner Heimat über mich? Was hast du vom kühnen Captain Cully und seiner Schar Geächteter gehört? Nimm dir’n Taco.«
    Schmendrick ließ sich am Feuer nieder, lehnte den kalten Bissen mit Anstand ab und erwiderte: »Ich habe gehört, dass du der Freund der Bedrängten und der Feind der Mächtigen bist. Du und deine fröhlichen Gesellen, heißt es, führen ein herrliches Leben im Walde, und ihr beraubt die Reichen und beschenkt die Armen. Ich kenne auch die Geschichte, wie du und Jack Jingly einander mit Eichenknüppeln die Schädel eingeschlagen und hinterher Blutsbrüderschaft geschlossen habt. Deine Molly hast du davor bewahrt, den reichen alten Mann heiraten zu müssen, den ihr Vater für sie ausgesucht hatte.« In Wirklichkeit hatte Schmendrick vor diesem Abend noch nie etwas von Captain Cully gehört, er besaß jedoch solide Kenntnisse auf dem Gebiet der angelsächsischen Folklore und kannte den Typus. »Und dann gab es da auch noch diesen verruchten König…«, sagte er auf gut Glück.
    »Haggard! Verwesen und vermodern soll er!«, schrie Cully. »Keiner sitzt hier, dem dieser König kein Unrecht angetan! Vom eigenen Grund und Boden vertrieben, der Stellung und des Vermögens beraubt, um den Erbteil betrogen – wir alle sind nur von einem Gedanken beseelt: Rache! Merk dir’s, Zauberer, eines Tages wird Haggard eine Rechnung bezahlen…«
    Ein Haufen zottiger Schatten zischte Zustimmung, Molly Grues Gelächter jedoch fiel wie Hagel prasselnd und stichelnd auf sie herab. »Vielleicht wird er das einmal«, spottete sie, »aber nicht an solche Hasenfüße und Maulhelden. Sein Schloss verfällt und verrottet jeden Tag mehr, und seine Männer sind zu schwach, um sich in ihren Rüstungen aufrecht zu halten, aber wenn es auf den Mut des Captain Cully ankommt, wird er in alle Ewigkeit regieren!«
    Schmendrick hob eine Braue, und Cully wurde rot wie ein Radieschen. »Du musst wissen, König Haggard hat diesen Stier«, murmelte er.
    »Ah! Der Rote Stier, der Rote Stier!«, höhnte Molly Grue. »Ich sag dir was, Cully: Nach all den Jahren mit dir in diesem Walde dämmert mir so langsam, dass dieser Stier nichts

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