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Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Sanft berührt Fra Lionels Hand mein Gesicht und wischt die Spur der Träne fort. »Sie lebt.«
    »Nein, sie ist tot.« Das ist Fra Gils Stimme, ganz nah. Ich glaube, er hält mich in seinen Armen.
    Fra Lionel ergreift meine linke Hand, die kraftlos herabzuhängen scheint, und dreht sie um. »Als Fra Adrian ihr den Schlüssel gewaltsam abgenommen hat, hat er sie verletzt. Sie blutet, seht ihr? Ihr Herz schlägt. Sie ist nicht tot.« Er tritt so nah an mich heran, dass ich seinen Atem auf meinem Gesicht spüren kann. Er riecht nach Brot und Wein. »Kannst du mich hören?«
    »Ja!«, rufe ich. »Ja, ja, ja!«
    »Kein Lebenszeichen«, sagt Fra Gil.
    Der französische Mönch packt meine Hand. »Wenn du mich hören kannst, dann drück meine Hand so fest du kannst.«
    Mit aller Kraft drücke ich zu und warte auf sein gequältes Stöhnen. Nichts – er schnauft nicht einmal!
    »Was habe ich gesagt?«, faucht Fra Gil. »Und jetzt geh mir aus dem Weg! Ich bringe sie in die Krypta der Kirche.«
    Doch Fra Lionel gibt nicht auf. »Kannst du blinzeln?«, fragt er mich. »Wenn du mich verstehen kannst, dann blinzele.«
    Ich weiß nicht einmal, ob meine Augen offen oder geschlossen sind. Wie soll ich da blinzeln?
    »Sie sieht so schön aus, so voller Leben«, sagt Fra Adrian und streichelt meine Wange. Sein Ring zerkratzt mir das Augenlid.
    »Na, seht ihr? Sie bewegt sich nicht«, nuschelt Fra Gil. »Kommt jetzt, in diesem Zustand nützt sie uns nichts. Sie kann uns nicht verraten, wo sie die Reliquie versteckt hat. Sie ist so gut wie tot. Was guckt ihr so? Ihr wisst doch, wer sie ist. Und ihr kennt ihren Rang. Sie muss verschwinden, bevor der Papst uns alle exkommuniziert.«
    Das ist mein Todesurteil.

Kapitel 3
    In einer Grabnische der Krypta der Abteikirche
21. Dezember 1453
Kurz nach Sonnenaufgang, gegen acht Uhr morgens
    Das Erwachen ist schmerzhaft.
    Wie schwer bin ich verletzt?
    Wer hat mir die Wunden zugefügt?
    So viel Blut! So viel Schmerz! So viel Trauer! So viel Leid! Wer war der Tote? Was habe ich getan?
    Wann werde ich mich erinnern?
    Wenn ich so weit bin …
    Die Erkenntnis trifft mich schmerzhaft wie ein Hieb.
    Wenn ich mich erinnern möchte …
    Was ist denn nur geschehen? Ist das Vergessen all meiner Erinnerungen, der Verlust meines ganzen Lebens, durch ein verstörendes Erlebnis verursacht worden?
    Mein Herz rast, als würde ich panisch vor irgendetwas fliehen, und ich zittere am ganzen Körper.
    Ich muss tief durchatmen, um mich zu beruhigen. Wo bin ich? Ich kann immer noch nichts sehen. Ein Lufthauch weht mir ins Gesicht. Mein Atem?
    Ich ahne, wo ich bin. Von Todesangst erfüllt, versuche ich, mich zu bewegen, mich aufzurichten, um zu fliehen. Es geht nicht.
    Ich liege in einer engen Grabnische – ja, so muss es sein. Die Decke ist so niedrig, dass mir mein eigener Atem entgegenweht.
    Ein Schauer läuft durch meinen Körper, als ich einen süßlich dumpfen Geruch wahrnehme. Es riecht nach faulendem Laub. Nach welkenden Blumen. Oder nach … Mein Gott, hilf mir!
    Mein Herz pocht, meine Zähne klappern vor Kälte, mein Atem geht stoßweise, dieAngst kriecht mir den Rücken hoch.
    Neben mir liegt eine verwesende Leiche!
    Ich halte den Atem an, um die mit Moder und giftigem Schimmel verpestete Luft nicht einatmen zu müssen. Doch ich muss weiteratmen. Röchelnd ringe ich nach Luft.
    Während ich versuche, mit den ausgestreckten Fingern der rechten Hand über den Boden der Grabnische zu tasten, stelle ich mir vor, worauf ich gleich stoßen werde: eine stark verweste Leiche. Die von Fäulnisgasen aufgequollene Haut ist vermutlich bläulich grün verfärbt. Und so durchscheinend wie weiches Wachs, durch das sich wie eine grüne Marmorierung das Geflecht der Adern zieht. Maden wimmeln in den Löchern der Haut. Milben haben sich in den Haaren gebildet. Während ich versuche, meine Hand zur Seite zu schieben, befürchte ich, jeden Augenblick die Feuchtigkeit aus verflüssigtem Fleisch zu ertasten, die sich unterhalb der Leiche in einer Lache sammelt. Aber – kann ich meine Hand überhaupt bewegen? Ich kann keine Bewegung spüren …
    Das Blut rauscht in meinen Ohren und schwillt zu einem dumpfen Dröhnen an, wie von Hunderten Kirchenglocken, die zum Sturm geläutet werden. Und da ist noch ein anderes Geräusch. Ein lautes Donnern, wieder und immer wieder. Glockenläuten und Kanonendonner, so laut und durchdringend, dass es in meinen Ohren unaufhörlich sirrt.
    Wo bin ich? In Helm und Harnisch und mit einem Schwert in

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