Das letzte Relikt
hinter sich geschlossen hatte, ließ Beth sich auf die Bettkante plumpsen und formte mit den Lippen die Worte
Ach du Scheiße
. Carter nickte. Dann kam er zu ihr, ließ sich neben sie fallen, schlang einen Arm um ihren Hals und küsste sie auf die Wange.
»Ist dir schon einmal aufgefallen«, flüsterte er, »dass man angesichts der Eheprobleme anderer Paare erst richtig würdigen kann, wie gut man es hat?«
Im Schlafzimmer direkt unter ihnen hörten sie, wie eine Schublade krachend geschlossen wurde, dann gedämpfte Stimmen. Beth meinte Abbie sagen zu hören, etwas sei »so peinlich« und konnte sich gleich mehrere Dinge vorstellen, die damit gemeint sein könnten. Ben sagte immer wieder: »Hör doch auf!«
»Ein guter Grund, sich niemals ein Landhaus zu kaufen«, sagte Carter.
»Zumindest nicht dieses hier«, flüsterte Beth.
»Ziemlich unheimlich, was?«
Sie lächelte. »Und ziemlich kalt«, sagte sie ebenso leise wie er.
»Nimm ein heißes Bad«, sagte er. »Ich packe inzwischen aus.«
Beth fischte ein paar Sachen aus ihrer Tasche und ging ins Badezimmer. Das Fenster hatte weder einen Vorhang noch eine Jalousie und wies auf sich endlos erstreckende schwarze Felder, verkümmerte Bäume und ein Gebäude in der Ferne, das wie eine verlassene Scheune aussah. Sie drehte den Heißwasserhahn ganz auf und lauschte, als die Rohre stöhnten und ächzten. Anfangs war das Wasser braun, wurde jedoch rasch klar. Als sie schließlich in die tiefe alte Badewanne stieg, war es einfach nur himmlisch. Sie lehnte den Kopf zurück und ließ die Hitze zu ihren Knochen durchdringen. Hoffentlich hatten Abbie und Ben morgen bessere Laune. Es gab nichts Schrecklicheres, als mitten im Ehekrach von anderen Leuten festzusitzen, vor allem, da sie sich eigentlich auf ein gemütliches und romantisches Wochenende gefreut hatte. Sie und Carter hatten ein gutes Leben in der Stadt. Ein großartiges Leben, wie wohl die meisten Leute sagen würden, aber sie mussten beide auch hart dafür arbeiten. Es war Zeit, dass sie einmal ausspannten und sich ein wenig vergnügten.
Als sie aus der Wanne stieg und die Tür zum Badezimmer öffnete, tat Carter genau das, was sie sich vorgestellt hatte. Er saß auf dem Bett, die Nase in einem Stapel Papiere vergraben.
Doch dann blickte er auf und sah sie in ihrem neuen Outfit von Victoria’s Secret. Sie war vielleicht nicht gerade Heidi Klum, aber sie sah gar nicht so übel aus. Carters Papiere rutschten ihm auf den Schoß, und der Unterkiefer tat es ihnen beinahe gleich.
»Lass dich nicht stören«, schnurrte sie.
»Zu spät.«
Gut zu wissen, dachte sie, als sie sich in seine ausgebreiteten Arme kuschelte, dass sie immer noch jedes Fossil der Welt aus dem Rennen schlagen konnte.
14 . Kapitel
Im Nachhinein dachte Russo, dass der Bootstrip vermutlich nicht die beste Idee gewesen war, aber da hatte er das Ticket bereits gekauft, und die frische Luft würde ihm vermutlich guttun.
Auf der Party gestern Abend hatte er zu viel getrunken. Kaum hatte er die Wohnung betreten und sich in das dichte Gedränge gestürzt, war schon Bill Mitchell aufgetaucht und hatte ihm ein Glas Halloween-Punsch in die Hand gedrückt. Er wusste immer noch nicht, was genau das eigentlich gewesen war. Dann hatte Mitchell ihn überall vorgestellt, als sei er der bekannteste Paläontologe Europas. »Er ist wegen eines supergeheimen Projekts in New York«, hatte Mitchell behauptet. »Wenn irgendjemand herausbekommt, worum es sich handelt, möge er sich bitte bei mir melden.«
Russo hatte sich Mühe gegeben, die Sache herunterzuspielen, und sich ziemlich gut amüsiert. Die Partygäste waren eine Mischung aus jüngeren Fakultätsmitgliedern, Doktoranden und sogar einigen Studenten. Er traf diese Studentin, Katie Coyne, die ihm im Hörsaal ein paar Fragen gestellt hatte. Sie war ein sehr verführerisches und selbstherrliches junges Ding. Selbst auf der Party wollte sie alles Mögliche von ihm wissen. Wie er dahin gekommen sei, wo er heute stand, bei welchen Ausgrabungen er dabei gewesen sei, wo seiner Meinung nach die nächsten großen Entdeckungen zu erwarten seien. Selten hatte er Studenten in ihrem Alter getroffen, die so auf ein Thema fixiert waren.
»Wenn Sie Ihren Abschluss haben«, sagte er, »besuchen Sie mich einmal in Rom. Ich glaube, Sie werden eines Tages großartige Arbeit leisten.«
Nach Mitternacht war er nach Hause getorkelt und am nächsten Morgen spät aufgestanden. Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, seine
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