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Das letzte Relikt

Das letzte Relikt

Titel: Das letzte Relikt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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Bettdecke zusammenzulegen, da Beth und Carter erst Sonntagabend zurückkommen würden. Er war wild entschlossen, diese Circle Line Cruise mitzumachen. Er wollte ein bisschen Tourist spielen, und heute bot sich die perfekte Gelegenheit dafür. Doch er hatte nicht mit dem flauen Gefühl im Magen gerechnet. Ebenso wenig hatte er sich klar gemacht, wie viele Leute auf so einem Boot zusammengepfercht wurden, oder wie viele von ihnen plärrende Kinder sein würden, die teilweise schon in ihren Halloweenkostümen steckten. Er hatte probiert, drinnen in der Kabine zu bleiben, aber bei der Hitze und dem Tumult hatte er schließlich beschlossen, sein Glück draußen auf dem offenen Deck zu versuchen.
    Über die Lautsprecher wies der Kapitän auf die verschiedenen Sehenswürdigkeiten hin, an denen das Boot vorbeituckerte. Den South Street Seaport, die Brooklyn Bridge, Hell’s Gate, Gracie Mansion. Eine winzige Insel im East River, die sie passierten, erweckte Russos Aufmerksamkeit. Darauf hatte einst das städtische Krankenhaus für Pockenkranke gestanden, von dem heute nur noch ein Haufen Staub und Steine übrig geblieben war. Früher hatte man die Patienten dort hinübergefahren und dann gewissermaßen sich selbst überlassen, um zu verhindern, dass sie den Rest der Stadt ansteckten. Charles Dickens, so sagte der Kapitän, sei einmal an dieser Insel mit dem Namen Blackwell’s Island vorübergesegelt. Die Patienten hatten, zusammen mit den Insassen der benachbarten Irrenanstalt, ihm mit Hüten und Taschentüchern zugewinkt. Russo war immer überrascht, wenn er in Amerika etwas entdeckte, das älter als hundert Jahre war, und seien es Ruinen.
    Als das Boot wieder anlegte, wartete Russo, bis die meisten Passagiere ausgestiegen waren, ehe er selbst das Boot verließ. Obwohl die Fahrt relativ ruhig gewesen war, fühlte es sich gut an, wieder an Land zu sein und nicht länger das Vibrieren der Motoren unter den Füßen zu spüren. Es wurde rasch dunkel, aber der lange Fußmarsch nach Hause würde ihm ein wenig Bewegung verschaffen, so dass er in der Nacht vielleicht besser schlafen könnte. Er schlief immer noch schlecht, und selbst letzte Nacht, als er halb betrunken auf das Sofa gefallen war, war er mehrmals aus bösen Träumen aufgeschreckt. Heute Abend wollte er versuchen, sich so müde wie möglich zu laufen.
    Je mehr er sich dem West Village näherte, desto wilder wurde die Straßenszene. Als Vampire verkleidete Mädchen und Jungs in Cowboykleidung kamen ihm entgegen. Eine ganze Gruppe war mit braunen Roben als mittelalterliche Büßer verkleidet, sie schwenkten qualmende Räuchergefäße und geißelten sich selbst. Russo nahm an, dass es sich um eine Würdigung von Bergmans
Das Siebente Siegel
handelte. Den ganzen Tag über war ihm noch nicht richtig nach essen zumute gewesen, aber jetzt stellte er fest, dass er langsam etwas im Magen brauchte. Als er vor einer Art italienischer Trattoria stand, fand er plötzlich, dass ein Teller mit heißer Pasta Fagiolo jetzt genau das Richtige wäre. In Rom wohnte er über einem Lokal, in dem der Koch die beste Pasta kochte, die er je probiert hatte.
    Was er schließlich vorgesetzt bekam, war kaum als Pasta erkennbar, und die Kidneybohnen hätte er an den Fingern einer Hand abzählen können. Er wusste, dass man den Amerikanern nachsagte, sie würden italienisches Essen lieben, aber warum waren sie so versessen darauf, wenn sie
so
ein Zeug serviert bekamen? Er zahlte die Rechnung bar, ließ ein, wie er hoffte, angemessenes Trinkgeld liegen und ging wieder nach draußen. In der letzten Stunde hatte sich die Stimmung eindeutig noch weiter aufgeheizt. Es waren noch mehr Menschen als vorher auf der Straße, gekleidet in alle möglichen seltsamen Kostüme. Drei blau angemalte Männer gingen zusammen mit einer Frau, die als Freiheitsstatue verkleidet war. Die Straßen waren mit Autos und Taxis verstopft, die laut hupend versuchten, irgendwie vorwärtszukommen. Soweit Russo beurteilen konnte, kam man zu Fuß immer noch am schnellsten voran, obwohl auch das nicht gerade einfach war.
    Heute Nacht war Vollmond, ohne Zweifel ein Beitrag zu dem Irrsinn, und die Stadt erstrahlte im Lichterglanz der Ampeln, Scheinwerfer und Neonreklamen. Die roten Lichter der Polizeiwagen blinkten, und Dutzende von Feiernden trugen leuchtend grüne Ketten um den Hals oder die Stirn. Während Russo sich seinen Weg durch die Menge bahnte, kam er sich immer mehr vor wie an Karneval, mit dem Lärm, den aufwendigen

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