Das letzte Zeichen - Die Verschwundenen: Band 2 (German Edition)
hab doch schon gesagt, das wird nie was.«
»Nie?« Thomas spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. »Wie kannst du so etwas sagen, natürlich wird es was. Wie lange brauchst du? Brauchst du mehr Hilfe? Ich kann dir Hilfe beschaffen.«
»Es hat wirklich keinen Sinn«, meinte der Junge, und es schien ihm gar nichts auszumachen. Wie konnte er nur so gleichgültig sein?
Thomas räusperte sich. »Natürlich hat es einen Sinn. Was du hier machst, ist unglaublich. Mehr als unglaublich. Es muss unbedingt umgesetzt werden. Die anderen verstehen das nicht, aber ich schon. Ich werde dich aus eigener Tasche bezahlen. Arbeite für mich. Ich richte dir ein Büro ein, wo du willst …«
Der Junge seufzte, drehte seinen Stuhl herum und sah Thomas ins Gesicht. »Vergiss es, Thomas. Sieh mal, es hat Spaß gemacht, aber mir ist klar, dass man mich hier raushaben will. Das ist schon okay. Und der Tee schmeckt sowieso scheiße. Man braucht eine Teekanne und frische Teeblätter.«
»Ich besorge alles«, sagte Thomas und versuchte, sich seine Verzweiflung nicht anmerken zu lassen. »Du musst deine Arbeit zu Ende bringen.«
»Warum?« Der Junge durchbohrte Thomas mit seinem Blick, als könnte er dessen Gedanken lesen.
Enttäuscht erhob sich Thomas von seinem Stuhl. »Weil wir uns einig waren. Weil es eine großartige Idee ist. Und weil du einen Vertrag unterschrieben hast«, erklärte Thomas mit ruhiger Stimme. Der Vertrag war ein Wagnis gewesen, aber der Junge hatte ihn bereitwillig unterschrieben, nachdem Thomas ihm den Zugang zum gesamten Infotec-Server versprochen und ihm volle Handlungsfreiheit zugesichert hatte. Wochenlang hatte er Ausreden erfunden, wenn der Junge Mist baute, und den Kopf für ihn hingehalten, und das hatte er nicht aus reiner Herzensgüte getan.
Der Junge schien das nicht vergessen zu haben. »Ich weiß«, erwiderte er. »Aber wie gesagt, es funktioniert nicht. Bis später.«
Der Junge stand auf. Thomas musste sich beherrschen, um ihn nicht wieder auf den Stuhl zu drücken.
»Okay«, sagte er stattdessen und versperrte ihm den Weg, um etwas Zeit zu gewinnen und um Luft zu holen. »Warum funktioniert es nicht? Oder besser gesagt: Unter welchen Bedingungen würde es funktionieren?«
»Unter gar keinen Bedingungen. Jedenfalls nicht in der realen Welt“, meinte der Junge geringschätzig.
»Und in der nicht realen Welt?«, bohrte Thomas mit einem Funken Hoffnung weiter. »Was wäre da?«
»Willst du das wirklich wissen?«, fragte der Junge. Sein Interesse war geweckt.
»Ja.« Thomas nickte.
»Okay.« Der Junge ließ sich wieder auf seinen Stuhl fallen und drehte Däumchen. »Also, zuerst bräuchte man eine kleinere Population, weil man klein anfangen muss. Sie muss organisch wachsen, verstehst du? Und es bringt nichts, nur eine Kontrollgruppe auszuwählen, weil das wegen den vielen anderen Verbindungen und Netzwerken nicht funktionieren würde. Am besten wäre eine einsame Insel. Ein Dorf auf einer einsamen Insel mit ein paar Hundert oder vielleicht ein paar Tausend Menschen.«
»Weiter«, sagte Thomas.
Der Junge dachte einen Moment lang nach. »Alle müssten damit einverstanden sein, dass sie Tag und Nacht überwacht werden, damit wir Diskussionen über Politik oder Bürgerrechte und Unstimmigkeiten vermeiden, denn das wäre das Ende.«
»Verstehe«, sagte Thomas. »Und was noch?«
Der Junge lachte. »Reicht das noch nicht? Sieh mal, das wird nie funktionieren und es wird nie passieren.«
»Was noch?«, wiederholte Thomas, und seine Stimme klang angespannt.
Der Junge lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf, als würde er ein Sonnenbad nehmen. Thomas rechnete fast damit, dass er gleich die Füße auf den Schreibtisch legen würde, direkt auf die Tastatur.
»Sie müssen es wollen«, sagte der Junge schließlich mit einem Achselzucken. »Sie müssen es wirklich wollen. Es geht darum, was die Menschen glauben, nicht, was real ist. Man kann das tollste System haben und den Menschen ein tolles Leben bieten, aber wenn sie denken, dass ihnen alles aufgezwungen wird, werden sie es hassen. Aber wenn sie etwas selber wollen und man gibt es ihnen … Na ja, das ist was ganz anderes.« Er stand auf. »Also, danke erst mal.«
Er streckte die Hand aus und Thomas schüttelte sie. »Wirst du das Programm in Angriff nehmen, wenn diese Bedingungen erfüllt sind? Wird es dann funktionieren? Steht unser Vertrag noch?«
»Klar.« Der Junge grinste. »Du machst das Unmögliche möglich, und
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