Das Licht, das toetet
Ein kleines Kameraauge musterte ihn. Er grinste und hörte wenige Sekunden später den Summer. Mit seinem Cowboystiefel drückte er die Tür auf und sofort schlug ihm Musik entgegen. Im Club war es zwar laut, aber dafür angenehm kühl.
Zachary teilte den Samtvorhang und starrte in den Raum. Der Club war auch tagsüber abgedunkelt. Lange Vorhänge reichten bis zum Boden. Glitzerkugeln und ein paar bunte Scheinwerfer spiegelten sich in Kühlergrills, die der Wirt als Trennwände zwischen den einzelnen Tischen aufgestellt hatte. Eine halbnackte Gogo-Tänzerin rutschte an einer Stange herunter und versuchte, den wenigen Gästen ein paar Scheine zu entlocken.
Zachary würdigte die vollbusige Frau keines Blickes. Zielstrebig ging er auf einen Tisch zu, der mit mehreren Bierflaschen und angefangenem Tex-Mex-Fraß zugestellt war.
„Ich hasse diese Sechzehn-Uhr-Telefonate.“ Zachary setzte sich neben seinen hageren blonden Partner. „Wir gurken für ihn um die Welt und er will nicht, dass wir unsere Handys benutzen.“ Er zog sich die mittlerweile kalten Burritos heran.
Der Blonde nickte nur. Zachary fiel auf, dass der Junge schon wieder unablässig mit seinem rechten Bein wippte. Der neunzehnjährige Tan Björnsdotter hatte selbst bei seinem Namen eine Niete gezogen. Hält sich für einen ganzen Kerl und hat den Namen eines Mädchens. Björns Tochter, dachte Zachary abfällig, den der Name stets an Eidotter erinnerte. Und genauso kam ihm Tan vor: durchsichtig, nicht greifbar, glitschig und kalt auf seine Art. Besonders gesprächig war Tan noch nie gewesen und die ewige Warterei schien seine Zunge auch nicht zu lockern. Ständig schien Tan unter Strom, gereizt und angespannt. Manchmal fragte sich Zachary, ob Tan überhaupt irgendetwas entspannte. Vielleicht Sex?
Er sah sich zum Gogo-Girl um, aber Tan schien die Frau gar nicht wahrzunehmen. Kopfschüttelnd aß Zachary seinen Burrito. Mit seinen zweiunddreißig Jahren fühlte er sich für seinen jüngeren Kollegen verantwortlich.
„Was hat er getan?“
„Dagesessen.“
„Dagesessen?“ Zachary runzelte die Stirn. „Telefoniert? Was gegessen? Mit wem geredet?“
„Nein.“
„ Nein? Kannst du auch in ganzen Sätzen reden?“
„Nein.“
Zachary lachte und Tan reichte ihm grinsend ein Bier. Sie stießen kurz an. „Was sagt der Chef? Weichspülen, wie bei den anderen?“, fragte Tan.
„Genau das sagt er.“
„Die Kiste?“
„Die Kiste nehmen wir an uns.“ An seinem Bier nippend, drehte sich Zachary um. Nur vier der etwa dreißig Tische waren besetzt. In der Nähe des Notausgangs saß ihr Mann. Der Professor hatte seinen Hut auf den Tisch gelegt, sich die wenigen Haare, die er noch besaß, akkurat über die Glatze gestrichen und trank Mineralwasser. Zumindest nahm Zachary an, dass es Wasser war und kein Gin.
Obwohl der Alte so still dasaß, machte er auf Zachary einen gehetzten Eindruck. Sein Gesicht war faltig und seine Stirn mit tiefen Furchen durchzogen. Die Ellbogenschoner an seinem braunen Cordanzug sahen abgewetzt aus. Unablässig drehte er seinen Krückstock in der Hand und starrte dabei Löcher in die Metallbox, die neben seinem Hut lag.
„Ich hab ’n ungutes Gefühl, Zac. Die Kiste – da stimmt was nicht.“ Trotz der lauten Musik flüsterte Tan. „Der war zwei Stunden da drin und kommt mit so ’ner alten Metallkiste raus? Was glaubst du, wie alt die ist? Und hast du gesehen, was da draufsteht?“
Zachary, der den Professor noch immer beobachtete, verneinte stumm. Die Schachtel maß ungefähr 30 x 30 x 60 Zentimeter. Er hatte angenommen, dass sie aus Aluminium war, doch jetzt war er sich nicht mehr sicher. Sie erinnerte ihn an eine Armeekiste aus den 30er-Jahren. Auf der Oberseite befanden sich drei Griffe, die sich wegklappen ließen, und an den Seiten prangten jeweils zwei Aufkleber.
„Ein Name?“, fragte Zachary und drehte sich zu seinem jungen Kollegen um. „Was? Nein. Die Warnschilder. Bist du blind?“ Zachary griff nach seinem alten Handy und zoomte an die Metallbox heran. Er hatte die Aufkleber zwar schon bemerkt, aber nicht gesehen, dass es Gefahrensymbole waren.
Unauffällig knipste er sie, tat, als wolle er nur die Gogo-Tänzerin fotografieren.
„Wenn wir ein offenes Netz finden, mailst du ihm die Bilder“, befahl er Tan und trank sein Bier aus. Nach seinem Gefängnisaufenthalt hatte er sein Geld als Lastwagenfahrer verdient und viele Gefahrgutzeichen gesehen, aber ihm kam nur das Zeichen mit den drei Ringen bekannt
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