Das Licht ferner Tage
dem Glauben verbracht, wir hätten eine Vorwarnzeit von nur vier Minuten für den Fall, dass ein Atomkrieg ausbricht. Oft haben wir uns die Frage gestellt: Was würdest du mit deinen vier Minuten tun? Ich hätte mich sinnlos besoffen und…«
»Uns stehen aber Jahrhunderte zur Verfügung«, sagte Mavens. »Nicht nur ein paar Minuten. Und wir haben die Pflicht, den Zusammenhalt der Gesellschaft nach besten Kräften und so lang wie möglich zu gewährleisten. Was bleibt uns sonst auch übrig? Zumal dieses Land schon seit Jahrzehnten mehr Feinde hat als jede andere Nation auf der Welt. Deshalb hat die nationale Sicherheit womöglich höhere Priorität als die individuellen Freiheitsrechte.«
»Welchen Vorschlag haben Sie uns also zu machen?« fragte Kate.
Mavens atmete tief durch. »Ich will Ihnen einen Handel vorschlagen. Mr. Patterson, das ist Ihre Technologie. Es ist Ihr gutes Recht, davon zu profitieren. Ich schlage vor, dass Sie die Patente und das Industrie-Monopol behalten. Aber Sie erteilen der Regierung eine Lizenz für Ihre Technologie, damit sie im Rahmen gesetzlicher Bestimmungen im öffentlichen Interesse eingesetzt wird.«
»Sie sind nicht autorisiert, mir einen solchen Handel vorzuschlagen«, entgegnete Hiram schroff.
Mavens zuckte die Schultern. »Natürlich nicht. Aber das ist offensichtlich ein vernünftiger Kompromiss, bei dem alle Beteiligten nur gewinnen können. Ich wäre sicher in der Lage, die Sache meinem direkten Vorgesetzten schmackhaft zu machen und dann…«
Kate lächelte. »Sie haben dafür wirklich alles riskiert, nicht wahr? Ist es Ihnen denn so wichtig?«
»Ja, Lady. Ich glaube, das ist es.«
Hiram schüttelte verwundert den Kopf. »Ihr Gören mit eurem Idealismus.«
Mavens beobachtete ihn. »Was sagen Sie nun dazu, Mr. Patterson? Wollen Sie mir dabei helfen, die Sache zu verkaufen? Oder möchten Sie lieber die morgige Razzia abwarten?«
»Man wird Ihnen dankbar sein, Hiram«, sagte Kate. »In der Öffentlichkeit zumindest. Vielleicht wird Marine One auf Ihrem Hubschrauberlandeplatz landen und Sie zum Präsidenten bringen, damit der Ihnen einen Orden an die Brust heftet. Das wäre ein weiterer Schritt zum Zentrum der Macht.«
»Für mich und meine Söhne«, sagte Hiram.
»Ja.«
»Und ich würde wirklich mein kommerzielles Monopol behalten?«
»Ja, Sir.«
Hiram grinste plötzlich. Seine Stimmung schwenkte sofort um, nachdem er die Niederlage akzeptiert und sich mit der neuen Situation arrangiert hatte. »So wird’s gemacht, Spezialagent.« Er beugte sich über den Tisch und gab Mavens die Hand.
Das Geheimnis war gelüftet, und die Macht, die Hiram durch die WurmCam zugefallen war, hatte ein Gegengewicht erhalten. Kate verspürte eine enorme Erleichterung.
Dann drehte Hiram sich zu Kate um und sagte mit einem Blick, der hätte töten können: »Das habe ich nur Ihnen zu verdanken, Manzoni. Sie haben mich gelinkt. Das werde ich nicht vergessen.«
Und Kate wusste, dass das sein Ernst war.
10
DIE WÄCHTER
Auszug aus dem National Intelligence Daily, erstellt von der Central Intelligence Agency für Inhaber der Sicherheitsstufe Top Secret und höher, 12. Dezember 2036:
… Die WurmCam- Technologie hat ihre Eignung unter Beweis gestellt, in Umgebungen vorzustoßen, die zu erreichen für menschliche Beobachter oder Robotkameras mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden beziehungsweise unmöglich wäre. So haben zum Beispiel WurmCam- Blickpunkte Wissenschaftlern die Möglichkeit eröffnet, ohne Gefahr für Leib und Leben das Endlager der Hanford Nuclear Reservation zu inspizieren, wo seit Jahrzehnten Plutonium den Erdboden, die Luft und das Wasser verseucht. Des weiteren werden WurmCams (unter strenger staatlicher Aufsicht) für die Überwachung unterseeischer Endlager vor der schottischen Küste eingesetzt sowie für die Inspektion der von Sarkophagen ummantelten Tschernobyl-Reaktoren, die trotz lang erfolgter Abschaltung noch immer Gebiete der früheren Sowjetunion verstrahlen. Diese Inspektionen haben zum Teil alarmierende Resultate erbracht (Anhang F-H)…
… Wissenschaftler haben den Einsatz einer WurmCam beantragt, um berührungsfrei einen großen gefrorenen Süßwasser-See zu untersuchen, der tief unter dem Eis der Antarktis liegt. Uralte empfindliche Biota sind seit Millionen von Jahren in solchen Seen eingeschlossen. Die Spezies, die in völliger Dunkelheit im Wasser leben, das durch den Druck der viele hundert Meter dicken Eisschicht
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