Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)
Schoß. »Ich denke schon. Ich war Aprils Hebamme.«
Da wanderte sein Blick dann doch zu seinem Schwert, doch sie hob drohend den Finger, und er sah davon ab.
»Ich erwarte nicht, dass du mich verstehst«, sagte Zeona. »Aber Zearis musste gestoppt werden. Wir hatten schon zu lange die Augen verschlossen, vor ihm und dem wahren Ausmaß seiner kindischen Rache … Und während wir wegsahen, starben die Eolyn wie die Fliegen.«
»Du hast recht«, sagte er. »Ich verstehe dich nicht. Was ist jetzt? Willst du mir helfen, oder hast du einfach nur jemanden zum Reden gebraucht?«
»So sehr du dir auch Mühe gibst, mich vom Gegenteil zu überzeugen, du bist immer noch vernünftiger als die meisten von uns.«Ein feuchter Schimmer trat in ihre Augen. »Korianthe war wahnsinnig und hätte die Menschen in ein neues Zeitalter der Knechtschaft gestürzt. Und Sarik … und Zearis …«
Er schaute sie abwartend an, bis sie sich wieder in der Gewalt hatte.
»Ja, ich werde dir helfen – denn du musst Sarik aufhalten. Er und ich sind die letzten, die sich noch in die Geschicke der Welt verstricken, und die Welt ist besser dran ohne uns.« Sie schüttelte den Kopf über sich selbst. »Rette April! Sie hat Besseres verdient als das.«
»Weißt du denn, wo er ist?«
»Liebst du sie denn?«, entgegnete Zeona.
»Ja«, sagte Janner. »Ich liebe sie.«
Sie erhob sich und öffnete eine Schatulle in einem Regal. Als sie wiederkam, hielt sie eine Kette mit einer einzigen weißen Perle in der Hand.
»Wenn es stimmt, was du sagst – dann wird dir das hier den Weg weisen.« Sie ließ den Talisman in seine Hand gleiten. »Es ist ein Zauber. Kannst du ihn spüren?«
Kaum dass er die Perle in die Hand nahm, musste er an April denken – so sehr, dass er sie beinahe vor sich sah. Er nickte stumm.
»Bleib heute Nacht«, flüsterte Zeona. »Es ist schon spät, und morgen wird dein Weg um einiges kürzer sein. Das verspreche ich.«
»Ich danke dir«, sagte Janner, ohne zu wissen, was genau sie damit meinte. Und auch wenn er geglaubt hatte, kein Auge in der Hütte dieser unheimlichen Frau schließen zu können, war er kurz darauf eingeschlafen.
Er erwachte noch vor der Dämmerung. Zeona lag neben ihm auf den Fellen, und es war wahrscheinlich das erste Mal, dass ihm der Anblick einer nackten Frau am Morgen Angst einjagte.
Sie kleidete sich an und setzte einen Tee auf. Dann schaute sie nachdenklich aus dem Fenster. »Wir sind in einem Wald«, stellte sie fest. »Wahrscheinlich will er mit ihr zurück in sein Reich.«
Erst war Janner nicht klar, wovon sie sprach. Dann trat er neben sie und sah die Schatten grauer Bäume draußen vor der Hütte.
»Sie hat sich bewegt«, staunte er.
»Du merkst auch alles.« Sie lächelte ihn seltsam traurig an und reichte ihm eine Tasse Tee. Ihr Haar schien ihm ein wenig grauer als am Tag zuvor, die Grübchen um die Augen nur ein wenig tiefer. Von der Verbitterung des Vortags aber war nichts mehr zu sehen.
»Wenn du ausgetrunken hast, musst du gehen. In der Tonne vor dem Haus gibt es Wasser, falls du welches brauchst. Und nimm dir eins der Felle mit. Dann leg die Kette um, und folge ihr, wohin sie dich führt. Aber sei auf der Hut – er wird sich zu wehren wissen.«
»Ich danke dir«, sagte er wieder.
»Wenn du je mit ihr darüber redest, sag ihr, wie leid es mir tut«, bat sie. »Und was ihn betrifft …«
»Ja?«
»Mache es ihm bitte nicht zu schwer.«
Er wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. »Sei unbesorgt«, sagte er schließlich. »Und quäle dich nicht.«
Sie zuckte die Schultern und strich über die Fensterbank, studierte den Staub an ihrer Fingerspitze. »Das werde ich nicht. Du weißt, wie es ist mit einem Haus: Es gibt immer was zu tun.«
Er nickte, erwiderte aber nichts mehr. Dann gürtete er sein Schwert um, zog seine Stiefel an und ging mit seinen Sachen nach draußen.
Kaum dass er die Kette angelegt hatte, bemerkte Janner ein Funkeln am südlichen Horizont, hell wie der Abendstern, wenn er früh am Himmel aufgeht. Es war ein kalter und wolkiger Herbsttag,und sein Weg führte ihn durch einen dichten Tannenwald, aber immer wieder sah er den Stern durch die Zweige funkeln, und sein Licht gab ihm Hoffnung, auch wenn es ihn manchmal an das Blitzen eines Irrlichts in sehr weiter Ferne erinnerte.
»Ich komme, Liebling«, flüsterte er ein ums andere Mal und gönnte seinem Pferd und sich nicht mehr Pausen als unbedingt nötig.
Am Mittag fand er zum ersten Mal Hufspuren, dann
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