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Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Titel: Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka
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machen. Oder einer Kerem vielleicht, um weiterzugeben, was sie gelernt hatte.
    Die Schiffe der Lagandæer gingen längsseits.
    »Es ist seltsam«, sagte sie und strich dem Hengst über den Hals. »Fast vermisse ich ihn. Genau wie du.« Und es stimmte – ohne den Wechselbalg war ihr Leben ohne Bedeutung. Er war immer da gewesen, selbst als sie sich dessen nicht bewusst gewesen war: als ihr Vater, als dessen Mörder, und als ihr Verbündeter, als sie ihre Rache an ihm vollzog.
    Vielleicht, dachte sie mit Blick auf das Meer, war es diese Leere, die sie nun empfand, die man als Freiheit bezeichnete.
    Da eröffneten die lagandæischen Schiffe das Feuer.

    Er erreichte die Küste am späten Nachmittag.
    Außer einem winzigen Hof, in dem ein paar steinalte Leute zwischen mageren Hühnern und Ziegen lebten, hatte er keine Menschenseele getroffen, und die Bauern konnten ihm nicht weiterhelfen. Bald kam es ihm vor, als wäre er allein auf der Welt. Dann fand er die Schneise, die die Armee des Kaisers auf ihremWeg durch die Hügel getrampelt hatte, und folgte ihr weiter nach Süden. Eine unwirkliche Stimmung lag über dem Land, die Wolken zogen rasch über ihn hinweg, als wäre ihnen die Gegend nicht geheuer, und mehrmals glaubte er von fern Donnergrollen zu hören.
    Er sah die Trümmer im Wasser treiben, noch ehe er den Rand der Klippe erreichte. Im selben Moment dämmerte ihm, dass es sich bei dem Lärm, den er gehört hatte, um Kanonendonner gehandelt hatte. Nichts sonst hätte die Galeeren dort unten derart gründlich in ihre Bestandteile zerlegen können. Und nicht nur sie – eine Salve hatte ein gutes Stück der Küste weggesprengt. Janner hatte noch nie eine Kanone abgefeuert, aber er nahm an, dass es gar nicht so leicht war, mit einer solchen zu zielen.
    Er stieg vom Pferd und näherte sich vorsichtig dem Klippenrand, um nach unten zu sehen.
    Die Bucht, gut dreißig Fuß unter ihm, war voller Treibgut von den Wracks. Mehrere reglose Körper lagen auf den Felsen oder wurden in der Brandung träge hin und her gespült. Ein paar Möwen balgten sich um etwas, bei dem es sich um einen Arm oder ein Bein handeln mochte. Ein Stück weiter den Strand hinauf lag der Kadaver eines weißen Pferds.
    Janner wollte schon umkehren, als er leise Schmerzensschreie hörte. Sie kamen von direkt unter ihm, sodass er den Verletzten nicht richtig erkennen konnte, aber es klang wie eine Frau.
    Von einer bösen Ahnung getrieben, suchte er nach einer Stelle für den Abstieg und kletterte die Klippe hinab. Einen Moment, als er in den Wurzeln eines windschiefen Holunderbuschs hing, hielt er verdutzt inne. Direkt neben ihm, zwischen den Wurzeln, steckte eine schwere Eisenkugel in der Felswand, größer als seine Faust.
    So schnell er konnte, kletterte er weiter, dann erreichte er einen Absatz etwas oberhalb des Strands und lief zu der Stelle zurück, von wo er das Wimmern gehört hatte.
    Dort, unter ihm, zwischen Stein und Geröll, fand er sie.
    Er erkannte sie nicht gleich, denn sie war schmutzig und halb unter einem Felsen begraben. Ihre Augen waren aufs Meer gerichtet.
    Langsam ließ er sich im Schneidersitz nieder und wartete, dass sie ihn bemerkte.
    Cassiopeia wandte nur ein wenig den Kopf und lächelte.
    »Ianus«, sagte sie.
    »So sieht man sich wieder«, sagte er. Fragend schaute er sich um. »Was ist passiert?«
    »Die verdammten Lagandæer«, versuchte sie zu scherzen.
    »Schätze, sie wollten dich nicht mitnehmen.«
    Sie schüttelte schwach den Kopf.
    »Ich glaube, meine Beine sind gebrochen.«
    Janner studierte den Felsen. »Du hast wahrscheinlich schon versucht, dich zu befreien.«
    »Es geht nicht«, sagte sie.
    »Der Felsen sieht schwer aus. Allein schaffen wir das nicht.« Suchend schaute er sich um. Sein Blick fiel wieder auf den Pferdekadaver. Es musste einmal ein sehr schönes Tier gewesen sein. Die Wellen leckten schon an seinen Hufen, und bald würde die Flut den Körper holen. Zwei Möwen hatten sich darauf niedergelassen und zupften an den Satteltaschen. Überall in der Umgebung lagen Spielkarten im Sand.
    »Was nun?«, fragte sie leise. »Wirst du mich wieder im Stich lassen?«
    Er schnaubte. »Geht es je um etwas anderes als dich?« Wütend warf er einen Stein nach den Möwen, die kreischend aufstiegen und sich dann wieder niederließen. »Was war denn mit mir, als ich deine Hilfe brauchte? Was war mit April? Du hast uns hintergangen. Mich hast du hängenlassen und sie beinahe umgebracht, und weshalb? Wegen eines

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