Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)
er ein ausgezeichneter Schwimmer – was er nach einer kurzen Schrecksekunde, in der er eine wichtige Abwägung zwischen dem ertrinkenden Mädchen und seinem gerade außer Sicht treibenden Schiffchen treffen muss, auch unter Beweis stellt.
»Danke«, sagt April, nachdem er sie ans Ufer gezogen hat und sie wieder Luft bekommt.
»K-k-keine U-ursache«, sagt Todd mit hochrotem Kopf. Sprechen ist im Gegensatz zu Schwimmen nicht seine Stärke.
Eines Frühlings, April ist gerade zwölf geworden, kommt ein bunt zusammengewürfelter Trupp Reiter über die Furt, der das Dorf seinen Namen verdankt (April wird nie erfahren, wer eigentlich Gabor war). Ihre Seite des Flusses gehört noch zu Garion, auf der anderen beginnt Merildon, was dem Dorf wohl zu bescheidener Bedeutung verholfen hätte, würden die wichtigen Straßen nicht alle weiter westlich verlaufen, wo die größeren Städte liegen und der Grenzfluss in den mächtigen Damos mündet.
Die Reiter aber sind offensichtlich weit ab vom Schlag. Tief im Süden gäbe es Unruhen, sagen sie, und der Präfekt habe befohlen, alle kampffähigen Männer der Gegend einzuziehen. Welcher Präfekt, fragt man sie, der von Garion oder der von Merildon?
Beide, sagen die Reiter. Sie bleiben eine Zeitlang und lassen sich bewirten. Viele Dorfbewohner hoffen, sich auf diese Weise vielleicht freikaufen zu können. Bald aber treffen echte Soldaten ein, Phereniden mit strengen Gesichtern, weitere Rekruten in ihrem Gefolge. Ein Dorf, das dem Reich nicht hilft, ist ebenso gut wie gar kein Dorf, lautet die Botschaft beider Präfekten, und so macht man sich zum Aufbruch bereit.
Gabors Furt entsendet einen Zug von vierzig Mann, darunter auch Aprils Vater. Sie würden schon rechtzeitig zurück sein, um im Herbst die Ernte einzuholen, heißt es. April legt keinen Wert auf ihre schnelle Rückkehr.
Sie kommt bei Todds Familie am Flussufer unter. Gabors Furt liegt wie ausgestorben, Frauen und Kinder haben die Herrschaft übernommen. Ihr sechster Sinn ist diesen Sommer so schwach wie der Fluss, der beinahe versiegt ist, sodass die Furt zu einer Sandbank wird und selbst die Fische in zwei Provinzen trennt, die einander nicht mehr kennen, wenn das Wasser im Herbst wieder steigen wird. April ist für die Atempause dankbar, und auch im Haus einer Gerberfamilie zu leben macht ihr nicht viel aus.
Eine Weile führt sie ein fast normales Leben.
»W-w-as ist m-m-it dir?«, fragt Todd. »B-b-b-ist du n-n-icht mehr k-k-omisch?«
Kurz ist April wütend auf ihn, aber seit der Sache am Fluss steht sie in seiner Schuld, und wahrscheinlich kommt sich Todd völlig normal vor, auch wenn er stottert und komisch riecht. Er ist nicht der Hellste, doch immerhin ist deshalb auch seine Meinung zu Fealva und ihren Kindern äußerst vage, verglichen mit seiner Begeisterung für Holzpferde und kleine Schiffe. Außerdem kennt er ihren Vater nicht.
»Wieso, du bist doch auch nicht komisch«, sagt sie deshalb nur, und Todd grinst schief und zeigt ihr seine neuesten Spielsoldaten, mit denen er die Heldentaten nachspielt, die ihren Vätern in seiner Phantasie gerade widerfahren. April hat kein Problem damit, dass Todds Vater immer siegreich aus diesen Kämpfen hervorgeht – sie opfert gerne ihren Teil der Truppen, damit es etwas spannender für ihn bleibt. Auf einmal hat sie einen Freund.
Todd ist der Erste, dem sie je vertraut.
»Dein Vater ist nicht immer so gewesen, weißt du«, sagt Todds Mutter, als sie April eines Tages weinend im Hof sitzen findet. Der Sommer ist fast vorbei, und sie haben Nachricht erhalten, dass die Männer bald zurück sind. »Er wurde erst so, als deine Mutter starb.«
»Hast du sie gekannt?« April schluchzt.
Todds Mutter nickt und setzt sich neben sie. Sie hat gerade die Wäsche aufgehängt und riecht noch nach Seifenlauge, fast süß verglichen mit dem üblichen Geruch im Haus. Dann nippt sie an ihrer Tasse Wacholderschnaps, die sie in diesem Jahr häufig mit sich herumträgt, und schaut ihrer Wäsche beim Trocknen zu. »Ich erinnere mich noch gut«, sagt sie. »Es war im April …«
»Ich weiß.«
Todds Mutter fährt ihr durchs Haar. »Früher nannte man Kinder häufig nach dem Kalender, nach Blumen oder dem Wetter. Alles hatte noch eine Bedeutung … Zumindest sagten die Leute das immer, ehe sie sich die Köpfe einschlugen. Wo war ich?« Sie nimmt einen Schluck aus der Tasse, und die kleine graue Katze, die bei ihnen wohnt, springt April auf den Schoß.
»Meine Mutter«, sagt April und
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