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Das Licht Von Atlantis

Das Licht Von Atlantis

Titel: Das Licht Von Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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merkwürdigen, asketischen Schönheit. Sie saß bewegungslos auf dem Steinboden. Nicht einmal ihre Wimpern zuckten. In den gewölbten Handflächen hielt sie etwas Glänzendes, das flackerte und abwechselnd hell und dunkel wurde, regelmäßig wie das Schlagen eines Herzens. Es schien das einzig Lebendige an ihr zu sein.
    In ihrer Nähe stand ein Mann, der nur mit einem Lendentuch bekleidet war, auf dem Kopf. Deoris musste sich das Kichern verkneifen - aber das hagere Gesicht des Mannes war völlig ernst.
    Keine fünf Fuß von Deoris entfernt lag ein etwa sieben Jahre alter Junge auf dem Rücken, sah zu der gewölbten Decke hoch und atmete tief, langsam und regelmäßig. Er schien nichts anderes zu tun, als Luft zu holen, und er war so entspannt, dass Deoris bei seinem Anblick fast schläfrig wurde, obwohl seine Augen weit offen waren und sehr wach zu sein schienen. Er bewegte keinen einzigen Muskel... Einige Minuten später fiel Deoris auf, dass sich sein Kopf mehrere Zoll über dem Fußboden befand. Fasziniert beobachtete sie ihn weiter, bis er schließlich bolzengerade aufrecht saß, und doch hatte sie in der ganzen Zeit nicht die kleinste Bewegung an ihm wahrgenommen. Plötzlich schüttelte der kleine Junge sich wie ein Hündchen, sprang auf die Füße und grinste Deoris breit an. Es war das Grinsen eines richtigen Lausebengels und bildete einen auffallenden Kontrast zu der perfekten Kontrolle über seinen Körper, die er soeben bewiesen hatte. Erst jetzt erkannte Deoris ihn: Er hatte dasselbe hellblonde Haar und ein feingeschnittenes Gesicht, genau wie Demira. Er war Karahamas jüngeres Kind.
    Unbefangen schlenderte der Kleine zu der Gruppe von Chelas hinüber, die Riveda unterrichtete. Der Adept hatte die graue Kapuze über den Kopf gezogen und hielt gerade einen großen Bronze-Gong in die Höhe. Einer nach dem anderen intonierten die fünf Chelas eine merkwürdige Silbe; sie ließen die Gongs schwach vibrieren; einer brachte seinen zu einem höchst eigentümlichen Klingen... Riveda nickte. Er reichte seinen Gong einem der Jungen, stellte sich vor ihm auf und sprach eine einzige kehlige Silbe.
    Der Gong begann zu schwingen, dann dröhnte er metallisch, als sei er wiederholt mit einer Stahlstange angeschlagen worden. Noch einmal stieß Riveda den Basston aus, und wieder sang der Gong sein Klagelied. Die Chelas starrten den Adepten an. Riveda lachte und warf die Kapuze zurück. Ehe er ging, legte er dem Sohn Karahamas die Hand auf den Kopf und stellte ihm mit leiser Stimme eine Frage, die Deoris nicht verstand.
    Der Adept kehrte zu Deoris zurück. »Nun, hast du genug gesehen?« fragte er und zog sie mit sich in den grauen Korridor. Viele, viele Türen gingen von diesem Flur ab, und hinter einigen flackerte ein geisterhaftes Licht. »Betritt nie einen Raum, wo ein Licht leuchtet«, murmelte Riveda. »Es bedeutet, dass jemand drinnen ist, der nicht gestört zu werden wünscht oder den zu stören gefährlich wäre. Ich werde dich den Laut zur Erzeugung des Lichts lehren; und manchmal wirst du ohne Unterbrechung üben wollen.«
    Vor einer Tür ohne Licht blieb Riveda stehen und öffnete sie, indem er einen merkwürdigen Laut von sich gab. Er brachte ihn Deoris bei, ließ sie ihn mehrmals wiederholen, bis sie es fertig brachte, ihre Stimme in einem Doppelton erklingen zu lassen. Deoris hatte zwar Gesangsunterricht gehabt, aber jetzt ging ihr auf, wie viel sie über Klänge noch zu lernen hatte. Sie war an die einfachen Töne gewöhnt, die in der Bibliothek und an anderen Orten des Tempelbezirks Licht erzeugten, aber das!
    Riveda lachte über ihre Verwirrung. »In so dekadenten Zeiten wie der unsrigen benutzt man solche Töne im Tempel des Lichts nicht mehr«, erklärte er, »nur wenige beherrschen sie noch. Früher war es Brauch, dass ein Adept seinen Chela herbrachte und ihn in eine der Zellen einschloss. Dort musste er verhungern oder ersticken, wenn er das Wort, das ihn befreite, nicht auszusprechen vermochte. So vergewisserte man sich, dass keine ungeeignete Person am Leben blieb und ihre Minderwertigkeit oder Dummheit weitergeben konnte. Heute jedoch -« Er zuckte die Schultern und lächelte. »Dich hätte ich natürlich niemals hergebracht, wenn ich nicht überzeugt gewesen wäre, dass du es lernen wirst.«
    Schließlich gelang es Deoris, in etwa den Ton herauszubringen, der die massive Steintür öffnete. Aber als sie aufschwang, blieb Deoris erschrocken auf der Schwelle stehen. »Dieser - dieser Raum«,

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