DrachenKind: Gegen die Finsternis (German Edition)
Kapitel 1
Unendliche Weiten. Es war weit und breit kein Ende zu erkennen, nicht einmal in Gedanken. Unten rasten gigantische Eisplatten vorbei, bläulich schimmernd, und doch leuchteten sie an manchen Stellen tiefrot im Licht der weit entfernten Sonne. Die Winde strichen unbarmherzig und wie fliegende Messer aus reiner Kälte über dieses ewige Eis, in dessen Schönheit und Weite man sich vollkommen verlieren konnte.
Der Schatten fegte wie ein Geist über zwei hohe Bergspitzen hinweg. Und da kam es wieder, jenes zweifelnde Gefühl. Was war das eigentlich für ein Schatten? Er hatte eine unbekannte, unnatürliche Form. Er glitt lautlos über die Eisschollen hinweg, hinterließ nichts, außer der Frage, woher er stammen mochte. Es war nichts zu sehen. Mit einem Mal wurden wieder die Vibrationen vernehmbar. Stärker als sonst, aggressiver, eindringlicher. Ein unheimlich tiefer Ton, Impulse die einem die Eingeweide springen ließen. Es war unbeschreiblich, hatte etwas von einem Atmen, aber so schnell dass es vibrierte. Und es war überall, in jedem Winkel des Bewusstseins, in jeder Gletscherspalte, in jeder Schlucht, hinter jedem Berg. Es gab kein Entrinnen vor diesen unerträglichen Schwingungen welche so betäubend wirkten, dass das Bild langsam verschwand.
Im letzten Moment erschien hinter einer Steilwand eine Grenze, mitten aus dem Nichts tauchte sie auf. Ein Spiegel, welcher die bizarre Gebirgslandschaft nahezu an genau dieser Stelle in zwei Teile spaltete und sie doch optisch fortsetzte. Bloß war das Spiegelbild dunkel, fast schwarz. Der spiegel selbst ragte ohne ein ersichtliches Ende in den Himmel, an dem nun von weißgrauen, in Abendsonne getauchten Wolken keine Spur mehr zu erkennen war. An ihrer Stelle waren unbemerkt schwarze Gebilde entstanden, die langsam und rotierend das Licht der Umgebung in sich aufsaugten.
Ein Korridor, seine Schritte hallten auf dem schwarzen Marmor. Unzählige Türen flogen an ihm vorbei. Sie hatten keine Klinken, keine Nummern, keine Schilder. Es waren einfach Türen, rechteckige dunkelblaue Marmorplatten in ihren schwarzen Rahmen. Es mussten nun schon einige Hundert gewesen sein. Und es wurden immer mehr. Die Verfolger waren ihm bereits so nahe, dass er panisch seine Geschwindigkeit noch einmal bis an die Grenzen seiner Belastbarkeit steigerte, die letzten Reserven ausreizte. Dann, als ein tiefschwarzer Gedanke an ihm vorbeischoss, krachte er ohne darüber nachzudenken durch eine der Türen. An jener Stelle wo er durch den massiven Stein gebrochen war, bildeten sich ringförmige Wellen, die sich nach einer Weile im Türrahmen brachen und reflektiert wurden. Wie bei einem Stein den jemand durch eine starre Wasseroberfläche geworfen hätte. Er stolperte und rutschte auf dem glatten Boden noch einige Meter weit, ehe er zum Stehen kam. Noch immer dröhnten die Gedanken und Schritte der Verfolger in seinem Kopf:
„Ein Ende. Das Ende, Dein Ende…“
Er keuchte und brach auf dem Steinboden zusammen, brauchte einen Moment um überhaupt zu bemerken dass er sich in völliger Dunkelheit befand. Die letzten Lichtstrahlen drangen gerade durch die Tür als sich auch die letzten feinen Wellen glätteten und die Tür sich wieder in blanken, undurchdringlichen Marmor verwandelt hatte. Es war still, nur das Pfeifen seiner Atmung war zu hören. Er schloss die Augen. Wenn er es nur schaffen könnte, sich zu verwandeln. Aber dazu hatte er im Moment nicht die Kraft. Er war am Ende, einfach erledigt. Mit geschlossenen Augen rief er nach jemandem, aber er wusste nicht nach wem. Er spürte wie er eindringlich und erschöpft versuchte, ein wenig seiner Kraft zu Licht zu machen, um wenigstens etwas sehen zu können. Zuerst sehr schwaches, dann langsam anschwellendes Licht erhellte ein paar Meter um ihn herum. Dort war die Tür, durch welche er gerade gekommen war. Mit einem Schrecken erkannte er, dass er die Erinnerungen an den Flüchtling nicht aus den Köpfen und Gedanken der Verfolger gelöscht hatte. Schmerzhaft richtete er sich auf und dachte einen Gedanken, aber er wusste nicht welchen. Doch schließlich machte sich die Gewissheit darüber, nun alle Erinnerungen an den Eindringling aus den einfachen Gedanken der Wächter gelöscht zu haben, wie ein Kribbeln hinter der Stirn bemerkbar. Er spürte es einfach. Dann stand er auf.
Nichts zu sehen. Sein Licht reichte nur ein paar Meter weit bevor es jäh verschluckt zu werden schien. Also bewegte er sich ein paar Schritte vorwärts. Seine Schritte
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