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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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der Mensch kaum weiterentwickelt hat. Schon in wenigen Jahren wird er vermutlich in der Lage sein, sich selbst zu zerstören. Die Büchse der Pandora jedoch versetzt uns in die Lage, dies zu verhindern. Dies und nichts anderes«, fügte er an Sarah gewandt hinzu, »ist Ihre Bestimmung.«
    »Sie wagen es, sich als Retter der Menschheit aufzuspielen, nach all den Verbrechen, die Sie verübt, nach all den Morden, die Sie begangen haben?«, schnappte Hingis.
    »Was wir getan haben, um ans Ziel zu gelangen, zählt nicht mehr«, meinte du Gard voller Überzeugung. »Wichtig ist nur, dass wir hier sind, nicht wahr, Lady Kincaid?«
     
    Er schien zu spüren, dass seine Worte nicht ungehört verhallten, und auch Hingis bemerkte es. »Tu es nicht, Sarah«, flüsterte der Schweizer beschwörend. »Es widerspricht allem, was dein Vater und el-Hakim dich gelehrt haben.«
    Sarah schaute zuerst dem Freund, dann dem Feind offen ins Gesicht. Schließlich trat sie auf den Schlüssel zu.
    »Nein!«, rief Hingis entsetzt. Auch die Gräfin Czerny verfiel in lautes Protestgeschrei, das Sarah jedoch nur in ihrem Entschluss bestärkte.
    Der Augenblick der Wahrheit war gekommen ...
    Zögernd streckte sie die Hand aus, während sie sich dem Kegel näherte. Die Glut war verloschen, die zerfallenen Überreste der Knochenhand lagen rings auf dem Boden verstreut. Hätte Sarah nicht mit eigenen Augen gesehen, welche zerstörerischen Kräfte dem Artefakt innewohnten, sie hätte es vermutlich nicht geglaubt.
    »Bitte Sarah! Tu es nicht!«
    Sie hörte Friedrich Hingis' verzweifelten Ruf, aber sie reagierte nicht darauf. Unmittelbar vor dem Kegel blieb sie stehen, und indem sie all ihren Mut zusammennahm und den letzten Widerstand überwand, legte sie ihre Rechte auf die Spitze.
    »Du wirst sie verlieren! So wie ich meine Hand verloren habe!«
    Sarah bebte innerlich. Sie wollte nicht verstümmelt werden, aber sie hatte keine andere Wahl. Nicht, wenn sie Gewissheit wollte. Nicht, wenn sie ihre Feindin besiegen wollte.
    Wie zuvor bei dem Zyklopen begann die Spitze des Kegels aus ihrem Inneren heraus zu leuchten. Das Metall erwärmte sich, wurde jedoch nicht so heiß, wie man es hätte vermuten sollen. Dafür spürte Sarah, wie etwas nach ihren Gedanken griff.
    Anfangs war es nur ein flüchtiger Eindruck, aber schon kurz darauf wurde ihr klar, dass tatsächlich etwas dabei war, in ihr Bewusstsein einzudringen. Eine jahrtausendealte Macht ...
    Sie begriff, dass der Zyklop nicht vor Schmerz geschrien hatte, sondern weil ihm dasselbe widerfahren war; das Gefühl war mit nichts zu vergleichen, was sie je zuvor erlebt hatte, nicht einmal mit der Seelenverschmelzung, die die Mönche von Tirthapuri durchgeführt hatten. Es war, als griffe eine unsichtbare Hand mitten in ihre Gedanken und durchwühlte sie, und mit einem Mal bekam Sarah entsetzliche Angst. Sie begann am ganzen Leib zu zittern und wollte ihre Hand zurückziehen, aber ihr war bewusst, dass dies das Ende gewesen wäre. Ihr blieb nichts, als auszuharren und die Sache durchzustehen, welchen Ausgang sie auch immer nehmen mochte ...
    Ein lautes Summen war zu hören, das das gesamte Gewölbe erfüllte, dazu ein schrilles Geräusch. Sarah brauchte einen Moment, um zu erfassen, dass es ihr eigener, gellender Schrei war. Sie versuchte sich zu beherrschen, aber es gelang ihr nicht, ihre Furcht war überbordend. Mit vor Entsetzen geweiteten Augen starrte sie auf ihre Hand, die auf der glühenden Kegelspitze lag, während sie nur darauf wartete, dass die Metallröhre herabstoßen und sie ihr abtrennen würde.
    Doch dann geschah etwas völlig Unerwartetes: Das Artefakt begann sich plötzlich zu drehen! Mehr noch, Sarah hatte den Eindruck, dass sie ebenfalls um den Kegel kreiste - oder war es in Wahrheit andersherum, und das gesamte Gewölbe rotierte um sie?
    Was das zu bedeuten hatte, wusste sie nicht, aber sie nahm an, dass es ein gutes Zeichen wäre, andernfalls hätte sie ihre Hand wohl schon verloren. Ihr Schrei brach ab, teils aus Verblüffung, teils aus Erleichterung, während die Rotationsgeschwindigkeit zunahm.
    Ob sie sich tatsächlich drehte oder es nur eine Täuschung war, wusste Sarah nicht zu sagen. Es gab keine Fliehkraft, die an ihr zerrte. Viel eher hatte sie das Gefühl, dass sie sich, je schneller sie sich drehte, in einer schützenden Blase befand, die sie umgab und den Gesetzen der herkömmlichen Physik entzog. Während die Halle zu einem Wandteppich aus milchigem Grau verschwamm, in den die

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