Das Licht von Shambala
heißen?«, fragte du Gard.
»Wären Sie sich Ihrer Sache so sicher, wie Sie behaupten, hätten Sie Lady Kincaid nicht hierher gebracht, sondern würden einfach abwarten, bis sich die Dinge von selbst entwickeln. Vermutlich hätten Sie sie nicht einmal am Leben gelassen. Aber Sie haben Zweifel, nicht wahr? Zweifel, was die Loyalität der Gräfin angeht.«
»Schweigen Sie!«, fuhr Czerny ihn an. »Es steht Ihnen nicht zu, meine Loyalität in Frage zu stellen!«
»Wahrscheinlich nicht«, gab der Russe zu, »dennoch frage ich mich, weshalb wir noch am Leben sind.«
»Mes compliments. Für einen Angehörigen des Militärs verfügen Sie über erstaunlich gute Menschenkenntnis. Könnte es sein, Hauptmann, dass Sie uns über die wahre Natur Ihres Berufs im Unklaren gelassen haben?« Du Gards Verstand schien ebenso scharf zu sein wie der Blick, mit dem er Abramowitsch bedachte. Dieser jedoch blieb weiter gelassen.
»Ich sehe«, entgegnete er, »ich habe hier einen ebenbürtigen Gegner gefunden, sodass es keinen Sinn hat, länger mit der Wahrheit hinter dem Berg zu halten. Ich bin Offizier seiner Majestät des Zaren - allerdings mit besonderen Aufgaben betraut.«
»Als da wären?«
»Ich arbeite für die Ochrana«, gab Abramowitsch bekannt, was ihm von Czernys Seite einen erschrockenen und von du Gard einen unverhohlen bewundernden Blick eintrug.
»Sieh an«, meinte der Franzose, »ein Mitglied der berüchtigten Geheimpolizei. Ich muss zugeben, monsieur le capitain, dass ich Ihnen einen solch illustren Lebenswandel nicht zugetraut hätte. In jüngster Zeit sind verstärkte Tätigkeiten der Ochrana im Bezug auf unsere Organisation zu verzeichnen, aber ich hatte noch niemals die Ehre, einen unserer geschätzten Gegner kennen zu lernen.«
»Es gibt für alles ein erstes Mal«, entgegnete Abramowitsch ölig.
»Sie denken also, dass ich meiner geschätzten Freundin, der der Gräfin Czerny misstraue, und ich Lady Kincaid deswegen habe hierher bringen lassen?«
»Allerdings«, bekräftigte der Russe, »und ich vermute außerdem, dass Sie gut daran tun, denn die Gräfin verfolgt eigene Pläne.«
»D-das ist nicht wahr!«, ereiferte Czerny sich. »Das ist eine infame Unterstellung!«
»Infam, mit Verlaub, könnten meine Worte nur dann sein, wenn ich mir einen Vorteil davon verspräche«, konterte Abramowitsch, jetzt wieder ganz der Sophist, als den Sarah ihn an Bord der ›Strela‹ kennengelernt hatte. »Da ich jedoch Ihr Gefangener bin und alle Vorteile auf Ihrer Seite liegen, kann dies nicht der Fall sein.«
»Was also bringt Sie auf den Gedanken?«, wollte du Gard wissen, ungeachtet des Protests, den Czerny erhob.
»Nun, erstens hat sich die Gräfin Ihnen gegenüber in eine Vorteilsposition gebracht, die sie in gewisser Weise unangreifbar macht. Zweitens ist sie sich dieser Position nur zu bewusst, sonst hätte sie nicht versucht, Lady Kincaid töten zu lassen, als sich die Gelegenheit ergab.«
»Très intéressant«, meinte du Gard mit einer Miene, die erahnen ließ, dass ihm diese Gedankengänge nicht ganz neu waren. »Was also würden Sie mir raten?«
»An Ihrer Stelle würde ich die Gelegenheit nutzen, die sich mir bietet. Obwohl ich nicht an dergleichen Hokuspokus glaube, scheinen zumindest Kincaid und ihr schmalbrüstiger Begleiter der Ansicht zu sein, dass sie die Erbin des dritten Geheimnisses ist. Was also hält Sie davon ab, es einfach auszuprobieren?«
»Schuft!«, stieß Hingis hervor. »Sehen Sie denn nicht, was Sie tun? Sie sind dabei, sich mit dem Feind zu verbünden ...«
»Keineswegs, Doktor«, widersprach du Gard. »Monsieur Abramowitsch ist nur auf dem besten Weg dazu, seinen Hals zu retten.«
»Verräter«, stieß Hingis hervor. »Elender Schuft!«
»Ich schätze Männer, die die Zeichen der Zeit erkennen und entsprechend handeln«, meinte du Gard. »Was also würden Sie tun, Abramowitsch? Wie bringe ich unsere gemeinsame Freundin Lady Kincaid dazu, die Pforte für mich zu öffnen?«
»Das schaffen Sie nicht«, versicherte Sarah.
»Und wenn ich Ihre Gefährten vor Ihren Augen umzubringen drohe?«
»Selbst dann nicht«, meinte Abramowitsch überzeugt. »Sehen Sie, was mich betrifft, so würde der Verlust Lady Kincaid nicht sehr treffen, und unser guter Hingis hat selbst mehrfach betont, dass er lieber sterben würde, als Ihnen in die Hände zu arbeiten. Zufällig weiß ich jedoch, dass just in diesem Augenblick Lady Kincaids einäugiger Freund unterwegs ist, um ...«
»Nein!«, fiel
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