Das Liebesspiel - Tripp, D: Liebesspiel
Schatten. »Du hast immer noch nichts ausgelegt«, sage ich.
»Nein. Ich hab mir einiges durch den Kopf gehen lassen.«
Ich hole die Zigarrenkiste aus der Tasche und schiebe sie über den Tisch zu ihr hinüber.
»Was ist denn das?«, fragt sie.
»Wirst du gleich sehen.«
»Gefällt mir nicht, wie du das sagst.«
»Mach einfach auf«, sage ich und sie gehorcht, sieht als Erstes das Foto – es liegt obenauf, ich habe es dort hingelegt, konnte es nicht recht unter dem Rest begraben. Ich sehe, wie es sie innehalten lässt, ihr den Atem nimmt. Eine lange Weile sagt sie gar nichts, betrachtet es nur, ihre Finger fahren sacht die Linien eines blütenförmigen Wasserflecks in der Ecke nach.
»Daran kann ich mich nicht erinnern«, sagt sie.
Sie berührt ihr Knie im Wasser, glättet einen Knick, ihre Finger verharren vor dem Gesicht des Kindes. Berühren es nicht.
»Das ist Green, oder?«, sage ich.
Sie antwortet nicht sofort. »Ja. Woher hast du das?«
»Von diesem Ingenieur«, sage ich. »In dieser Kiste sind die Sachen, die er zurückgelassen hat. Überbleibsel von 1962 .«
Sie nickt, jetzt nähern sich ihre Finger dem Fuß des Babys, das ihr auf der Hüfte hockt, seine Zehen berühren die Wasseroberfläche. Eine Mutter und ihr kleines Kind. Gestern sah ich diese Aufnahme an, ich sah sie an und konnte sie doch nicht ansehen. Ich sah sie an und konnte nicht damit aufhören.
»Wie lange hast du das schon?«, fragt sie leise.
»Eine ganze Weile«, sage ich.
»Warum hast du es mir nicht gezeigt?« Es ist keine Anklage, die ich aus ihrer Stimme heraushöre, sondern etwas Tieferes, das darüber hinausgeht. Ich bin nicht recht bereit zu antworten. »Gibt es noch mehr?«, fragt sie. Sie sieht mich an und ihr Blick verrät mir, was sie wissen möchte.
»Nicht von Green.«
Da nimmt sie den Schnappschuss heraus und findet das Bild darunter – das kleine Boot, ihr Ruderboot, im Sumpf vertäut. Ich sehe ihr Lächeln.
»Guck dir das an!«, sagt sie. »Was ist diesem komischen Ingenieur wohl in den Sinn gekommen, diese Fotos zu machen?«
»Es gibt noch ein anderes von deinem Boot«, sage ich. »Weiter hinten. Einige Bilder sind von der alten Brücke, eins von den Kindern, die den Schlüssel umdrehen, sodass der Aufzug hochgeht, einige lassen sich daran baumeln. Es gibt auch eins von Swiggie mit einem Fisch auf der Waage, den er gefangen hat …«
»Sind das nur Fotos?«
»Nein, die lagen zwischen allen möglichen anderen Sachen.«
»Und der Rest?«
»Alte Speisekarten. Eine von Tattersalls. Eine aus dem Paquachuck Inn. Ein Spielplan vom Lincoln Park. Einige Zeitungsausschnitte sind dabei, außerdem Arbeitsprotokolle, Entwürfe von Briefen an den Staat. Briefe vom Staat. Ein paar Notizen, die er sich gemacht hat.«
»Was für Notizen?«
»Gesprächsfetzen, so wie es aussieht. Was er so mitgehört hat. Er hat anscheinend festgehalten, was ihm auffiel, man kann nicht so richtig sagen, warum – ist ein Haufen Müll.«
Ada lächelt. »Müll.«
»Ein paar Zeichnungen sind dabei. Kohleskizzen. Rohrkolben. Eine vom sonnenüberstrahlten Watt. Häuser. Sonst nicht viel.«
Ada beginnt, die Dinge in der Kiste durchzugehen. Einige Blätter waren voller Wasserflecken, als ich sie im Austernhaus fand, ein Leck im Dach, keine Regelmäßigkeit ersichtlich, was ruiniert wurde und was unbeschädigt blieb. Einige Fotos waren pockig, die Motive verzerrt, oder sie waren beim Trocknen miteinander verklebt, und als ich versuchte, sie auseinanderzuziehen, rissen sie entzwei.
Bei einem Zettel hält Ada inne, dreht ihn um, will die verkrampfte Handschrift entziffern, liest.
»Ist das ein i oder ein e, Janie? Dieses Wort, wonach sieht das für dich aus?«
Ich spähe an ihrer Hand vorbei. » Schlecht? Nein. Das ist ein i, glaube ich. Schlicht.«
»Ah, ja.« Sie liest weiter. Als sie ans Ende kommt, schmunzelt sie vor sich hin. »Ah, das ist lustig – das muss er mitgehört haben. So was kann man sich nicht ausdenken – aber ich frage mich, wer …« Ihre Stimme ist leise, sonderbar leise, fast ein Flüstern, eine wilde Stille, wie der rauschende Wind in meinem Kopf. Hinter ihrer Schulter, neben dem gelben Schuppen, scheinen die Bäume durch den Himmel zu wirbeln.
»Warum heute, Jane?«, fragt sie, erneut die Blätter durchgehend. »Warum hast du das heute mitgebracht?«
Ich habe keine Antwort. Wie soll ich ihr sagen, dass ich nicht an ein weiteres Spiel glaube?
Sie wartet nicht auf eine Reaktion von mir. Sie betrachtet
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