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Das Liebesspiel - Tripp, D: Liebesspiel

Das Liebesspiel - Tripp, D: Liebesspiel

Titel: Das Liebesspiel - Tripp, D: Liebesspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn C Tripp
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eintönigen Zeit um das Verschwinden ihres Vaters herum hatten sich alle Einzelheiten aufgelöst in der weiten, flachen Ebene des Danach, das allmählich jedes Davor auslöschte. Hatte sie jenen Brief gelesen? Dieses Geschreibsel ohne Empfänger? Irgendwann bestimmt. Was hatte es ihr gebracht? Es war nur ein weiteres Beispiel dafür, wie sie mit ihrer Hand in den Wolken tastete.
    Darüber grübelt sie nun nach, da sie mit ihrer Mutter am Esstisch sitzt. Wie er sie heute Morgen angesehen hat – Carleton Dyer –, dieses helle, schnelle Leuchten, das sie über sein Gesicht blitzen sah, als er aufblickte und sie erkannte. Janes Gabel kratzt über den Teller, ein grässliches Geräusch über den Resten des Essens. Sie steht auf, räumt den Tisch ab, lässt Wasser in die Spülwanne laufen. Wie er sie angesehen hat, wie er durch den blauen Korridor der geschäftigen Straße schaute, sie ansah und ihrem Blick standhielt, und jetzt schießen die vergrabenen Erinnerungen an ihn aus allen Winkeln, von denen sie nicht mal ahnte, dass sie sie dort abgelegt hatte. Janes Hände tasten im Seifenwasser nach dem Besteck, ein brauner Fettstreifen zieht sich um den Rand der Spülwanne, und sie denkt, das Ganze ist wie ein Felsbrocken, an dem man jahrelang vorbeigeht, ohne ihn wahrzunehmen, ohne sich je zu fragen, was darunter verborgen sein möge – welch seltsames, ungebundenes Leben –, wenn man ihn umstoßen würde. Jähe Flügel in der Brust, lebendig auf eine Art, die einem nie in den Sinn gekommen wäre. Einfach nur auf dem glühend heißen morgendlichen Bürgersteig zu stehen, der Verkehr stockt, der DeSoto blockiert beide Richtungen, der alte Mann mit den roten Hosenträgern fummelt sinnlos unter der Motorhaube herum, und man hört nichts, sieht nichts außer Carleton Dyer, der einen ansieht, als sei man alles, was es auf der Welt gibt.
    Sie pikst sich mit der Messerspitze in den Finger. Flucht.
    Als das Geschirr abgewaschen, abgetrocknet und verstaut ist, geht sie, wie immer, mit ihrer Mutter zum Lesen ins vordere Zimmer, ihre Mutter taucht in irgendeinen Roman ab, Jane hat einen Lyrikband in der Hand, den sie aus dem Regal gezogen hat, der beständige Rhythmus der Verse, des Metrums, eine Zuflucht oder Ordnung, die die Unruhe zähmt.
    Mit flinken Fingern und runden Kieseln
    Spielt Süßwasser um ihren hangenden Rist
    Sie wirft einen kurzen Blick auf ihre Mutter in dem grünen Polstersessel mit der verklumpten Füllung – ihre ehemalige holde Schönheit, nun verhärmt und einsam. Immer dieselbe alte Geschichte: Nettes Mädchen. Liebte schlechten Mann. Heiratete ihn. Ende.
    Läuft es nicht darauf hinaus? Ein Paar alter Schuhe, das im Schrank steht. Was bleibt einem nach der zerstoßenen, unwiderstehlichen Süße der ersten Zeit? Das Ganze ist dem Verderben geweiht.
    Zuvor war ihr nie in den Sinn gekommen, dass es anders sein könnte.
    Sie sucht nicht nach ihm. Nicht am nächsten noch am übernächsten Tag, zumindest nicht absichtlich, doch sie scheint ihn überall zu sehen, als würden ihre Augen von ihm angezogen. Und es ist der Mittwoch der darauffolgenden Woche, als sie aus dem Haus geht, um unten bei der Witwe zu arbeiten, da sitzt Carleton Dyer mit einem seiner Freunde auf der Friedhofsmauer, raucht eine, und im ersten Moment hat Jane das Gefühl, sie würde lieber zu einem Häufchen Asche auf dem Bürgersteig zerfallen, als an ihm vorbeizugehen, aber gleichzeitig möchte sie nichts mehr als das. Als sie auf seiner Höhe ist, blickt Carl auf.
    »Hallo, Jane.«
    »Hallo«, sagt sie und geht weiter, vorbei an den beiden Männern auf der Mauer, wie sie es sich vorgenommen hat. Carl springt herunter und schließt sich ihr an.
    »Willst du runter an den Anleger?«, fragt er.
    Sie nickt.
    »Macht es dir was aus, wenn ich mit dir gehe?«
    »Nein«, sagt sie.
    »Warum machst du das?«
    »Was?«
    »So schnell an mir vorbeigehen.«
    »Tu ich doch gar nicht.«
    »Doch«, sagt er lächelnd, »du gehst immer ganz schnell an mir vorbei und sagst nichts.«
    »Ich hab Hallo gesagt.«
    »Na, eben.«
    »Gibt nicht viel mehr zu sagen.« Doch jetzt muss sie selbst lächeln, sogar ein wenig lachen, so als wollte sie nicht, täte es aber dennoch. Eine flatterhafte Leichtigkeit in ihrer Brust, die wie eine Blase nach oben drängt. Jane richtet den Blick auf den Gehsteig, auf die Risse im Beton, ein abgefallener Ast vor ihm, er weicht ihm aus, seine Schulter streift ihre, instinktiv macht sie einen Ausfallschritt. Da bleibt er stehen,

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