1422 - Mörderischer Muttertag
Er blieb im Bett liegen und lauschte in die Stille. Nach dem Geräusch an der Tür war nichts mehr zu hören gewesen. Der Eingang lag zur Hälfte frei. Er konnte in den Flur schauen, weil es nicht richtig dunkel war. Weiter hinten im Gang brannte ein Licht. Da schliefen die drei Kinder in zwei Zimmern.
Für ihn stand fest, dass sich die Tür nicht von allein geöffnet hatte.
So etwas gab es nicht ohne Durchzug. Und der war hier nicht vorhanden. Im Schlafzimmer war das Fenster geschlossen. Draußen herrschte eine schwüle, stickige Luft, denn es hatte sich in der Nacht kaum abgekühlt. Ein Wetter, das die Menschen aggressiv machte und Tamina Baker wieder aus dem Haus getrieben hatte.
Nie hatte sie ihrem Mann erzählt, wohin sie ging. Sie war zwar immer wieder zurückgekehrt, aber sie war ihm jedes Mal verändert vorgekommen. Ihre Reaktionen waren oft so abweisend gewesen.
Nicht nur ihm, sondern auch ihren Kindern gegenüber, und am schlimmsten war der veränderte Blick ihrer Augen. So kalt, ohne jede Wärme und Herzlichkeit, was er aus früheren Tagen von ihr nicht kannte.
Was war nur mit ihr los? Warum war sie so anders geworden, und wer trug daran die Schuld?
War es ein anderer Mann, der drei Kindern die Mutter nehmen wollte?
Natürlich hatte sich Ralph darüber Gedanken gemacht und mit seiner Frau darüber gesprochen, aber sie hatte ihm nicht oder nur ausweichend geantwortet. Er konnte es sich komischerweise nicht vorstellen, dass seine Frau es mit einem Fremden trieb.
Doch irgendetwas musste es sein. Sonst wäre sie in den letzten Nächten nicht so oft verschwunden. Er machte sich Sorgen, aber sie zur Rede zu stellen, dazu fehlte ihm der Mut. In dieser Hinsicht war er ein Schwächling, das musste sich Baker eingestehen. Aber das würde sich ändern.
Wenn sie in dieser Nacht zurückkehrte, würde er sie zwingen, ihm Rede und Antwort zu stehen.
War sie bereits da?
So genau wusste er das nicht. Es konnte sein, dass sie sich ins Haus geschlichen hatte. Ungewöhnlich wäre das nicht gewesen, aber warum betrat sie dann das Zimmer nicht?
Ralph Baker blieb im Bett sitzen. Sein Blick war starr auf die Tür gerichtet. Er schwitzte. An seinem Körper gab es keine einzige Stelle mehr, die nicht vom Schweiß bedeckt war.
Er trug ein Unterhemd mit weiten Ärmelausschnitten und eine kurze Hose.
Die Luft im Zimmer war stickig, und er fragte sich, warum er das Fenster nicht geöffnet hatte.
Noch einmal rief er ihren Namen, weil er etwas zu hören geglaubt hatte. Ein Schleifen im Flur, ein Knacken. Möglicherweise auch einen Atemzug.
Es blieb so, wie es war. Keine Bewegung an der Tür. Kein neues Geräusch. Dafür die verdammte Stille, die er als schwere Last erlebte.
Als er einen Blick auf die Uhr warf, da stellte er fest, dass Mitternacht längst vorbei war. Es ging bereits auf die zweite Morgenstunde zu.
Irgendwann hielt er es nicht mehr aus, und er überwand sich und verließ das Bett. Er wollte im Flur nachschauen und auch nach den Kindern sehen. Sie waren ihm wichtig.
Tamina waren sie das auch mal gewesen. Das hatte sich leider geändert. Immer mehr hatte sie sich ihrem Nachwuchs entfremdet und war ihre eigenen Wege gegangen.
Eine Decke musste er nicht zurückschlagen, um sich aus dem Bett zu schwingen, denn er hatte sich nicht zugedeckt. Das rechte Bein hatte er bereits angewinkelt, als er mitten in der Bewegung stoppte.
Von der Tür her hatte er ein Geräusch gehört!
Um was es sich dabei handelte, fand er nicht heraus. Es hatte eigenartig und fremd geklungen, und einen Moment später sah er, dass sich die Tür wieder bewegte.
Bis zum Anschlag öffnete sie sich nicht. Nur so weit, dass jemand hindurch in das Zimmer gehen konnte.
Auf der Schwelle tauchte eine Gestalt auf. Zuerst kam sie ihm vor wie ein düsterer Schatten.
Sekunden später erkannte er sie.
Es war Tamina!
Ralph Baker wusste nicht, ob er sich freuen und erleichtert sein sollte oder nicht. Aber er gab sich einen innerlichen Ruck, denn er wollte es endlich wahr machen und seine Frau zur Rede stellen. Er war es leid. Er wollte von ihr wissen, wo sie sich in den vergangenen Nächten herumgetrieben hatte.
Sie blieb auf der Schwelle stehen und schaute ins Schlafzimmer.
Da Ralph im Bett saß und seine Frau stand, kam sie ihm größer vor.
Sie schaute auf ihn nieder und war stumm wie eine Tote.
Tamina trug die Kleidung, die sie auch beim Weggehen angehabt hatte. Eine helle Bluse mit kurzen Ärmeln und einen dunklen wadenlangen Rock.
Sie
Weitere Kostenlose Bücher