Das Lied der Cheyenne
genug mit einem Feuerstock geübt hatte. Schmunzelnd erinnerte sie sich an ihr Erlebnis mit den Dakota-Kriegern, als sie der Rückschlag eines großen Feuerstocks ins Gras geworfen hatte. Das würde ihr nicht mehr passieren. Mit der Flinte ihres Vaters hatte sie oft genug bewiesen, dass sie eine gute Schützin war, und ihre erste Kugel würde einen Shar-ha töten.
Joshua hatte längst erkannt, dass sie keine gewöhnliche Frau war. Die heilige Frau ihres Volkes hatte sie sich genannt, und er nahm an, dass sie eine Medizinfrau war und sich mit Kräutern auskannte. Sie betete oft, und er sah, wie sie zu einem einsamen Adler emporblickte und beschwörend die Hände hob. »Der Adler ist ein Abgesandter meines Schutzgeistes«, sagte sie, »er wird uns helfen, die Shar-ha zu finden.« Sie war eine besondere Frau und steckte voller Geheimnisse, und sie war eine Kriegerin, die wie ein Mann gegen ihre Feinde zog. Er hatte nicht gewusst, dass es solche Frauen gab, aber es gab vieles bei den Indianern, das er nicht wusste, und er war bereit, von ihr zu lernen.
»Aiee«, sagte Büffelfrau leise, als sie ihre Pferde am späten Nachmittag durch eine Senke trieben. Sie deutete nach vorn und machte das Zeichen für Shar-ha. »Siehst du den Rauch? Sie lagern hinter dem nächsten Hügel!« Sie stieg von ihrem Pony und huschte geduckt durch das hohe Gras. Auf dem Hügelkamm ging sie hinter einigen Büschen in Deckung. »Da sind sie«, sagte sie zu Joshua, der neben ihr im Gras auftauchte und dem lieben Gott dankte, dass Büffelfrau so gute Augen hatte. Er hatte nichts gesehen und wäre den Pawnees in die Schusslinie geritten.
Die beiden Krieger hatten keine Ahnung, dass sie beobachtet wurden. Sie hockten arglos an ihrem kleinen Feuer und lachten über einen Scherz, den einer von ihnen gemacht hatte. Büffelfrau erkannte das heilige Bündel, das sie wie eine Trophäe an eines ihrer Ponys gebunden hatten.
»Ich kenne die Krieger«, signalisierte sie, »das sind Langes Haar und Gekrümmte Hand. Sie sind sehr tapfer. Langes Haar hat den Häuptling erschossen, der mir geholfen hat.«
Joshua nickte stumm und hob die Büchse. Büffelfrau legte eine Hand auf seinen Arm und schüttelte den Kopf. »Sie sollen wissen, dass sie sterben«, sagte sie. Ihre Miene war grimmig.
Bevor der Trapper ein Zeichen formen konnte, war Büffelfrau aufgesprungen. Sie stieß den schrillen Kriegsruf ihres Volkes aus und rannte in die Mulde hinab. Das Feuer der Shar-ha war keine zwanzig Meter entfernt. Sie schoss dem verdutzten Langes Haar in die Brust, kniete neben ihm und berührte ihn mit der bloßen Hand. Joshua war dicht hinter ihr und schoss auf Gekrümmte Hand, der rückwärts ins Gras kippte und sein Todeslied anstimmte. Der Shar-ha sah noch, wie Büffelfrau das Messer seines Freundes nahm und den wertvollen Skalp von dessen Schädel riss. Dann atmete er zum letzten Mal.
Büffelfrau band den Skalp an den Sattel ihres Ponys und drückte das Bündel mit den heiligen Pfeilen an ihre Brust. »Aiee«, rief sie stolz, »wir haben gesiegt!« Sie reckte die Arme zum Himmel und sprach ein lautes Gebet, das sogar Joshua unter die Haut ging, obwohl er kein Wort verstand. Sie bedankte sich bei Maheo und den Geistern, und sie pries die Weisheit ihres Schutzgeistes, der sie auf den rechten Pfad geführt hatte. Es war ein schwerer Weg gewesen, der sie an den Rand eines tiefen Abgrundes geführt hatte, aber jetzt war alles gut. Joshua war bei ihr, und sie konnten nach Hause reiten.
Sie brauchten fast eine Woche, bis sie das Land der tsis tsis tas erreichten. Der Erfolg machte sie nicht übermütig, und sie rechneten jeden Tag damit, von anderen Shar-ha überfallen zu werden. Sie zündeten keine Feuer an und hielten abwechselnd Wache. Obwohl sie einander begehrten, liebten sie sich nicht. Dies war Feindesland, und beinahe jede Unaufmerksamkeit wurde mit dem Tod bestraft. Dazu war Zeit, wenn sie das Dorf der Hügelleute erreicht und ihr Tipi aufgeschlagen hatten.
Der Adler war vom Himmel verschwunden, und diesmal wertete sie es als gutes Zeichen. Sie brauchte ihn nicht mehr. Der Schutzgeist hatte ihn zurückgerufen und würde erst wieder zu ihr sprechen, wenn sie ihn rief. Der Weg der Tränen war zu Ende. Sie ritten einem neuen Tag und einer neuen Zukunft entgegen. Vergessen waren die dunklen Nächte der letzten Monde und die Angst vor einer ungewissen Zukunft. Es zählte nur noch, was jetzt war. Sie waren zusammen, und sie lebten, und bald würde sie ihre Eltern und
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