Das Lied von Eis und Feuer 04 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 04 - A Clash of Kings (Pages 332-728)
blicken, sogar in den Abtritt. Dahinter jedoch stand die Turmruine noch immer und war nicht mehr zerstört als zuvor. Jojen Reet hustete wegen des Rauchs. »Bringt mich nach Hause!«, verlangte Rickon. »Ich will nach Hause!« Hodor stampfte im Kreis herum. »Hodor«, wimmerte er leise. Inmitten von Ruinen und Tod drängten sie sich aneinander.
»Wir haben genug Lärm gemacht, um einen Drachen zu wecken«, sagte Osha, »und trotzdem kommt niemand. Die Burg ist tot und ausgebrannt, genauso, wie Bran es geträumt
hat, aber wir sollten lieber …« Plötzlich verstummte sie, weil sie hinter sich etwas gehört hatte, und wirbelte herum.
Zwei schlanke dunkle Schemen kamen hinter der Turmruine hervor und tappten langsam durch den Schutt. Rickon rief glücklich: »Struppi!« , und der schwarze Schattenwolf rannte auf ihn zu. Sommer näherte sich langsamer, rieb den Kopf an Brans Arm und leckte sein Gesicht.
»Wir sollten hier verschwinden«, sagte Jojen. »So viele Tote werden noch andere Wölfe außer Sommer und Struppel anlocken, und nicht alle von ihnen werden auf vier Beinen laufen.«
»Ja, so bald wie möglich«, stimmte Osha zu, »aber wir brauchen Vorräte, und vielleicht finden wir hier noch welche. Bleibt zusammen. Meera, nimm deinen Schild und deck uns den Rücken.«
Es dauerte den ganzen Morgen, bis sie den Rundgang durch die Burg hinter sich gebracht hatten. Die großen Granitmauern standen noch; sie waren hier und da vom Feuer verkohlt, ansonsten jedoch unversehrt. Im Innern hingegen gab es nur Tod und Zerstörung. Die Türen der Großen Halle waren verbrannt und rauchten, die Sparren der Decke hatten nachgegeben, und das ganze Dach war eingestürzt. Die grünen und gelben Scheiben des Glasgartens lagen in Scherben, die Bäume und Früchte und Blumen waren zerfetzt oder entwurzelt. Von den Stallungen, gebaut aus Holz und Stroh, waren nur Asche und Balken und tote Pferde geblieben. Bran dachte an seine Tänzerin und hätte am liebsten geweint. Neben dem Bibliotheksturm dampfte ein kleiner Teich, und heißes Wasser lief aus einem Spalt an der Seite des Turms. Die Brücke zwischen Glockenturm und Rabenschlag war in den Hof gestürzt, und Maester Luwins Türmchen war verschwunden. Durch die schmalen Kellerfenster unter dem Großen Fried sahen sie schwachen roten Schein, und in einem der Lagerhäuser brannte es ebenfalls noch.
Osha rief immer wieder leise in den Rauch hinein, während
sie ihre Runde drehten, doch niemand antwortete. Dann sahen sie einen Hund, der sich an einer Leiche zu schaffen machte und davonlief, als er die Schattenwölfe witterte; der Rest der Hunde war in den Zwingern umgekommen. Die Raben des Maesters erwiesen einigen der Toten ebenfalls die Ehre, während sich die Krähen von der Turmruine um die anderen bemühten. Bran erkannte Pickeltym, obwohl ihn ein Axthieb mitten ins Gesicht getroffen hatte. Ein verkohlter Leichnam vor den Überresten von Mutters Septe saß aufrecht da und hatte die schwarzen Fäuste geballt, als wolle er jeden, der ihm zu nahe kam, schlagen. »Wenn die Götter gut sind«, sagte Osha voller Zorn mit leiser Stimme, »werden die Anderen diejenigen holen, deren Werk dies ist.«
»Das war Theon«, erwiderte Bran düster.
»Nein. Sieh nur.« Sie deutete mit dem Speer über den Hof. »Da liegt einer seiner Eisenmänner. Und dort. Das ist Graufreuds Schlachtross, oder? Das Schwarze, in dem die Pfeile stecken.« Sie ging unter den Toten umher und runzelte die Stirn. »Hier, der Schwarze Lorren.« Er hatte so viele Wunden davongetragen, dass sein Bart jetzt rötlich braun wirkte. »Der hat ein paar in die Hölle mitgenommen, ohne Zweifel. « Osha drehte eine der anderen Leichen mit dem Fuß um. »Hier ist ein Wappen. Ein kleiner Mann, ganz in Rot.«
»Der gehäutete Mann von Grauenstein«, sagte Bran.
Sommer heulte und schoss davon.
»Der Götterhain.« Meera Reet rannte dem Schattenwolf nach, wobei sie ihren Schild und ihren Froschspeer bereithielt. Die anderen folgten ihr und suchten sich einen Weg durch Rauch und Schutt. Unter den Bäumen war die Luft besser. Ein paar Kiefern am Rand des Wäldchens waren versengt, doch die feuchte Erde und das grüne Holz im Inneren hatten sich dem Feuer verweigert. »Lebendem Holz wohnt eine Kraft inne«, erklärte Jojen Reet, fast, als wisse er, dass Bran gerade darüber nachdachte, »eine Kraft, die ebenso stark ist wie Feuer.«
Neben dem schwarzen Tümpel, im Schutze des Herzbaums lag Maester Luwin auf dem Bauch am Boden.
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