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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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Musiker nannte. Sie alle brachten das nötige Maß an kreativer Verrücktheit
mit, bewundert wurden sie im Nachhinein aber eher für ihre Verschlossenheit, wenn sie sich Brigida entzogen, um ihre künstlerische Passion zu verfolgen. Sie durften ihr Geld ruhig mit ehrlicher Arbeit verdienen, aber niemals ihre Kunst dem Profit opfern. Und nun war auch ich einer von ihnen! Aber ich arbeitete daran, der Letzte in der Reihe zu werden, ich würde Brigida für immer an mich binden, nach mir würde keiner mehr kommen!
    Seit einem Jahr flog ich daher alle zwei Monate irgendwohin, drei Tage nach Amsterdam, nach Barcelona oder London, einfach, um mich rar zu machen und interessant für sie zu bleiben. Ich sagte ihr auch nie, wohin ich fuhr, und sie fragte nicht. Dann lag ich auf irgendeinem Hotelbett und trank Jim Beam, manchmal ging ich raus, ganz selten fotografierte ich sogar. Den größten Teil der Zeit verbrachte ich jedoch damit, ein Geschenk für sie zu finden. Es ging ihr nicht um Geld, die Messlatte ihrer Ansprüche lag höher. Doch bis jetzt hatte ich sie jedes Mal mit Bravour genommen.
    Zum Beispiel mit einer einzigen auf Rügen gepflückten Mohnblumenkapsel, in der die Samen ganz fein rasselten. Mit einer 25-Kilo-Kiste Darjeeling aus einer Amsterdamer Teespedition oder einer abgeschabten grünen Handtasche vom Victoria Market aus London. Ein Volltreffer, eine Vintage-Handtasche und auch noch in der Farbe, die sie liebte!
    Meine Fotos zeigte ich Brigida nicht, da ich befürchtete, keines würde ihren Ansprüchen genügen. Und es hatte den Anschein, als machten die verweigerten Fotos mich für Brigida interessanter als eine Ausstellung derselben in New York.
    Brigida war von niemandem abhängig, schon gar nicht von mir, und das imponierte mir. Sie liebte es, meine Pläne,
sofern sie nicht ihr unmittelbares Wohl betrafen, zu sabotieren, einfach so, als Belustigung, um eine Reaktion von mir herauszufordern. Sie lachte dann und sagte etwas wie: »Jetzt fang bloß nicht an, langweilig zu werden!« Langeweile war ein für Brigida unverzeihliches Vergehen, eine Sünde, für die es bei ihr keine Absolution gab.
     
    Draußen glitten die Fassaden der Häuser vorbei. Ich wusste nicht mehr, wo wir waren, denn ich hatte den Namen der Stadt bereits vergessen. Ich schaute auf die Uhr. In zwei Stunden, am späten Nachmittag, sollte ich den deutschen Villenbesitzer treffen, einen Herrn, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnern konnte, der aber in dem handlichen Dossier erwähnt wurde, das Brigidas Assistentin mir auf mehreren Seiten zusammengestellt hatte. Passenderweise steckte auch dieses Dossier mit der Hotelreservierung und allen weiteren Informationen in meiner Fototasche. Früh am nächsten Morgen, zu der Tageszeit, zu der das Licht noch keine starken Schatten wirft, hätte ich mit der Arbeit beginnen sollen. Was für ein Mist!
    »Verdammt noch mal, wohin fahren wir eigentlich!?«, rief ich nach vorne. Keine Antwort, ich hätte sie sowieso nicht verstanden. Also lehnte ich mich zurück, trommelte mit meinen Fingern immer schneller auf dem Polster des Rücksitzes herum und beobachtete den Fahrer namens ›warmer Arm‹, der so tat, als ob er tatsächlich einen Weg verfolgen würde.
    Einmal hielt er an, um in einer Bar zu verschwinden. Ich blieb sitzen, in der Befürchtung, mein restliches Gepäck würde vielleicht mitsamt dem Taxi auch noch abhandenkommen. Doch nach zehn Minuten kehrte Mario Bracciocaldo
zurück, erklärte mir etwas in unverständlichen Worten, und nun fuhren wir wieder. Vermutlich überlegte er gerade, in welcher Hinterhofgarage er mich gefangen halten konnte, um ein anständiges Lösegeld für mich zu erpressen. Vielleicht gar keine so ganz schlechte Geschichte, um sie Brigida zu erzählen, dachte ich plötzlich. In ihren Augen war ich ein Künstler, der sich nach Abenteuern dieser Art sehnte, da sie ihn zu außergewöhnlichen Fotos inspirierten. Ein großer Irrtum, den ich nie freiwillig aufklären würde. Ich hörte mit dem Trommeln auf und begann, mir im Geiste den Anfang meines kleinen Abenteuers zurechtzulegen.

Kapitel 5
    LELLA
    Wo haben sie Matilde versteckt? Ich schaute mich um, doch die Hand zwischen meinen Schulterblättern schob mich sachte voran, weiter durch den Flur in den Salon, in dem die Vorhänge zugezogen waren. Buntes Geflacker von Kerzenflammen beleuchtete den Sarg, der mitten im Raum aufgebockt war, klotzig wie ein frisch lackierter Kahn. Die Ruder fehlten natürlich. Und frische

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