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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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schickte mich zurück auf das Sofa. Ich war in lutto, in Trauer, da marschierte man auf Sizilien nicht alleine am Strand entlang.
    Ich verstand Sizilien nicht. Manchmal war es mir bunt, unbeschwert, lustig und chaotisch erschienen, dann trug es knallige Farben, und man aß leckere, würzige Gerichte. Der Geschmack der Speisen konnte einem aber auch den Atem rauben, dann war Sizilien melancholisch und zäh, und nichts bewegte sich wirklich vorwärts. Aber in diesen Tagen nach Leonardos Tod war Sizilien für mich nur noch schmutzig und ungerecht. Sizilien - so hieß mein Feind. Es hatte mir Leonardo weggenommen.
     
    Zwei ältere Frauen mit schwarzen Kopftüchern kamen herein, nickten mir zu und starrten mich einen Moment lang beinah erwartungsvoll an, berührten dann Grazias glatte Stirn und machten das Kreuzzeichen.
    »Wie schön sie aussieht, jetzt hat sie ihren Frieden«, behauptete die eine seufzend.
    »Aijajai, die arme Teresa«, flüsterte die andere gut hörbar, »erst die Tochter tot und dann...«, sie machte eine Pause, »... eine schwere Prüfung, eine schwere Prüfung für dieses Haus!« Beide bekreuzigten sich mit einem Seitenblick auf mich nochmals.
    Natürlich wussten sie, wer ich war, eine Bellone, eine, die hier eigentlich nicht anwesend sein durfte. Teresa, Grazias
Mutter, die wahrscheinlich gerade in der Küche herumpolterte, hatte mich wortlos an der Tür stehen lassen. Ihr Haar war wie immer glatt zurückgekämmt, sodass der Eindruck entstand, sie hätte ihren blanken Schädel braun angemalt und sich einen glitschigen Knoten im Nacken angeklebt. Ein Trauerschleier oder wenigstens ein schwarzes Kopftuch hätte ihren Kopf gnädig verhüllt.
    Nur Gaetano, Grazias Vater, hatte ich es zu verdanken, am Sarg Abschied nehmen zu können. Er war leise und gebeugt an die Wohnungstür gekommen und hatte schweigend meine ausgestreckte Hand gedrückt. Ich hatte ihn nur dreimal in meinem Leben gesehen und war auch diesmal wieder erstaunt über die Größe und Form seiner Ohren, die sich wie zwei Espresso-Untertassen rechts und links an seinen Kopf schmiegten. Er hatte mich in den dunklen Salon geschoben und hinter mir ein gepresstes Geräusch losgelassen, dann war er aus dem Raum gegangen. Ich glaube, er weinte.
     
    »Alles dreht sich ums Essen, und jeder steckt seine Nase in die Dinge der anderen. Alle urteilen über dich, bevor sie dich auch nur von Weitem gesehen haben, behaupten aber, niemanden zu kennen und rein gar nichts zu wissen, das ist Sizilien!«, hatte Leonardo einmal gesagt, und prompt erschien mir wieder sein Schulterzucken und sein lässiges Lachen vor den Augen.
    Mein Zwerchfell klumpte sich nervös zusammen. Wo war Matilde? Mehrere Menschen kamen herein und gingen auf den Sarg zu. Sie führten sich auf wie eine andächtige Gruppe von Touristen, die sich untereinander leise auf die Qualität des Seidenfutters, mit dem der Sarg ausgekleidet war,
aufmerksam machten. Langsam, wie im Gebet versunken, setzte ich mich, ohne den Kopf zu bewegen, und schielte unauffällig auf die andere Seite des Wohnzimmers, wo sich drei von ihnen am verhängten Fenster versammelten und mit bösen Mienen die beiden emsig hin und her eilenden Bestatter beobachteten, auf deren graue Arbeitskittel »Funebri Piero Mineo« gedruckt war. Es waren Grazias ältere Brüder: Antonio, Isidoro und Domenico. Sie sahen sich sehr ähnlich, ich hätte sie nie auseinanderhalten können. Auch Teresa und Gaetano entdeckte ich zwischen den anderen Personen in Schwarz, die meisten Frauen. Sie umringten den Sarg, sodass ich nichts mehr von dem braunen Ungetüm sehen konnte. Als die beiden Angestellten der Bestattungsfirma sich nun mit dem Sargdeckel näherten, um den Sarg zu schließen, schwoll das murmelnde Weinen und Klagen noch einmal heftig an. Trotz der Lautstärke hörte es sich irgendwie unbedeutend an. Mit Mühe schafften sie es, sich durch die Menge zu drängen. Ich erwartete, ein sattes Echo von Holz auf Holz zu hören, aber in meinen Ohren schrappte es nur, als ob eine Pappschachtel verschlossen wurde. In diesem Moment zogen die drei am Fenster murmelnd das Kreuzzeichen über ihre Krawattenknoten hinweg. Nur leere Gesten. Ich fühlte eine Hitzewelle der Wut in mir aufsteigen. Meine Backenzähne taten weh, so fest presste ich sie aufeinander. Wer so zufrieden aussieht, betet nicht.
    Der Deckel war drauf, jetzt hatte Grazia wirklich ihren Frieden. Keiner konnte sich mehr über den mit Seide gepolsterten Sargrand beugen. Ich stellte

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