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Das Loch in der Schwarte

Das Loch in der Schwarte

Titel: Das Loch in der Schwarte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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Kontra, ein gefährlicher Pass. Ein harter Kopfschuss. Ecke.
    »Was du trinken?«
    »Bier.«
    »Das heißen Bier?«
    »Genau.«
    »Darf ich auch Bier?«
    Man schielt zur Sardine hin. Die starrt mit ihren Glasaugen zurück.
    »Nix da«, erklärt man.
    »Bitte, gerne, nur ein bisschen.«
    Kurze Ecke, eine schnelle Kombination. Die Verteidigung klärt. Gegenvorstoß. Man kippt einen Schluck Bier auf die Tischplatte, damit Schluss mit dem Genörgel ist. Der Fisch schlängelt sich dorthin und füllt eine winzige Pipette.
    »Was du haben in Hand?«, fährt er fort.
    »Den Tippschein, verdammt noch mal.«
    »Was der tun?«
    »Ich tippe, wie das Spiel ausgeht.«
    »Warum?«
    »Man kann Geld gewinnen.«
    Wieder bleibt es still. Noch zwei Minuten von der normalen Spielzeit. Liverpool drängt auf der rechten Seite vor.
    »Du Geld gewinnen?«
    »Wenn Liverpool ein Tor schießt, dann gewinne ich, und jetzt halt endlich deine Schnauze!«
    Einen Moment lang ist es tatsächlich still. Doch nur einen Moment lang.
    »Dann du also nicht wissen, wie es ausgehen?«
    »Nein, verdammt noch mal!«
    »Du nicht kann sehen in Zukunft?«
    »Leider nicht!«
    »Du nicht wissen, dass die Schwarzweißen gleich Tor schießen?«
    »Juventus?«
    »Gleich.«
    »Juventus schießt ein Tor? Nein, es sind doch die Liverpooler, die vorpreschen.«
    »Das wird mit Kopf, wenn es kommt. Du wirklich nicht können sehen in Zukunft?«
    Im gleichen Moment schnappt sich der Torwart von Juventus den Ball, macht einen schnellen Schuss zum Mittelkreis hin. Ein Dribbling auf der rechten Seite, ein steinharter Schuss, ein Nicken von Lodigliani… ins Tor! Juventus führt mit 2:1.
    »Mit Kopf«, piepst er. »Ich sagen, mit Kopf.«
    Mit einem Schrei der Enttäuschung knallt man das Bierglas auf den Couchtisch. Es klingt unerwartet dumpf, bomp. Und während der Schiedsrichter das Spiel abpfeift und die Juventusspieler anfangen zu jubeln, liegt die Sardine da, zerquetscht auf der Tischplatte.
    »Oh nein, entschuldige!«, schreit man. »Chelsea – Barcelona? Wie spielt Chelsea gegen Barcelona, bitte? Am nächsten Mittwoch?«
    Aber sie ist bereits tot.
    Mit der Zeit machten wir uns selbst auf in die Galaxien. Von den Besuchern lernten wir die Grundbegriffe der Antigravitation und des Hohlsaitennavigierens und wie man superstarke Rümpfe aus einer Titanmischung baut. Das Titan mussten wir natürlich zu vollkommen überhöhten Preisen von Weltallhausierern kaufen, die auf ihrem Weg bei uns vorbeikamen. Die Premierenbesatzung war zusammengesetzt mit Menschen aus allen Ecken der Erde, die Zeit des alten irdischen Rassismus war vorbei. Da draußen würden wir nicht länger Schwarze, Weiße, Juden und Aborigines sein. Sondern nur Humanoiden. Vom Planeten Erde, der Galaxie Milchstraße, mit vorprogrammierten Übersetzungsmaschinen:
    »Sei gegrüßt, Fremdling. Können wir mit eurem Führer sprechen?«
    Als diese erste Expedition viele Jahre später zurückkehrte, war es ein verkniffenes Grüppchen, das da auf die Plattform herausstieg. Die Journalistenmeute wollte sofort wissen, ob sie da draußen auf andere Kulturen gestoßen seien.
    »Doch, ja«, lautete die Antwort.
    »Und was haben die gesagt? Was hielten die von uns? Was meinten sie von uns Erdlingen?«
    Die Besatzung sah sich betreten gegenseitig an. Der Betriebstechniker räusperte sich, sagte jedoch nichts. Der Steuermann und der Maschinist musterten ihre Zehenspitzen. Schließlich war es der Schiffsarzt, eine ältere, blasse Frau mit sehr langen Fingern, die das Unerhörte leise sagte:
    »Fistelwürmer.«
    »Was?«, rief die gesamte Journalistenhorde wie aus einem Mund.
    Die Besatzung wurde zur psychologischen Betreuung in einen geschlossenen Raum geführt, wo sie
    Hilfe bekamen, um ihre traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten. Nur sehr wenig drang von dort nach außen, aber ein Putzmann verriet schließlich, dass er zufällig jemanden drinnen laut hatte schreien hören, dass die Wände vibrierten:
    »Wenn sie uns wenigstens als Affen bezeichnen würden!«
    Das Weltall ist hart. Das Weltall ist schonungslos. Das Weltall ist ein eiskalter Spiegel, der alles verrät, der das zeigt, was wir vergessen wollen, der nichts verbirgt, nichts verschont, der keinen Trost bietet. Und das Wichtigste: das Weltall ist erschreckend rassistisch.
    Man möchte ja gern etwas anderes glauben. Man hat ein Bild von demokratischen Raumschiffbesatzungen aus den verschiedensten Ecken des Universums mit behaarten Löwenpiloten, fröhlichen

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