Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Loch in der Schwarte

Das Loch in der Schwarte

Titel: Das Loch in der Schwarte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
Vom Netzwerk:
weißen, fast seidenen Birkenstamm plätschern.
    Als er sich umdrehte, standen sie da. Vier Stück. Lang und schmächtig in ihren bleigrauen Schutzanzügen.
    Seine erste Reaktion war ein missglücktes Lachen. Ein paar lugendliche, die sich hatten verkleiden wollen. Aber als sie ihn weiterhin wortlos anstarrten, kam die Angst.
    »Die wollen mich ausrauben«, dachte er. »Uhr, Handy …«
    Eine der Gestalten hob schließlich sein unerwartet gelenkiges Storchenbein zum Kopf und öffnete das Visier. Da drinnen kam ein Schnabel zum Vorschein. Der schnappte. Er schien die Luft mit leisen, klappernden Geräuschen zu schmecken.
    Arto streckte zitternd sein halb gegessenes Lenkkimakkara hin. Der Fremdling beugte sich näher heran und schnappte vorsichtig die Wurst mit der äußersten Schnabelspitze.
    »Senf gibt’s im Auto«, flüsterte Arto.
    Und diese Worte, dieser simple Satz ging damit in die Weltgeschichte ein. Es waren die ersten Worte, die jemals zwischen einem Menschen und einer außerirdischen Intelligenz gewechselt wurden. »Senf gibt’s im Auto.« Auf Finnisch, an einem sonnigen Mittsommerabend an dem nordfinnischen See Pyykösjärvi.
    Von Oulu verbreiteten sich die Schockwellen über den ganzen Planeten. Die gesamte Erdkruste schien unter den Fußsohlen zu vibrieren, und als die Menschheit sich zu einem neuen Tag erhob, wurden die Neuigkeiten bereits an jeder Straßenecke ausposaunt:
    »UFO in Finnland! Das Weltall ist gelandet!«
    Und darunter ein Foto des glotzenden Arto, der wörtlich zitiert wird:
    »Senf gibt’s im Auto!«
    Während des folgenden Tages versammelte sich die Weltpresse an Pyykösjärvis Birkenknick hinter der Polizeiabsperrung. Im üppigen Gras erhob sich das kegelförmige kleine Fahrzeug der Besucher. Die finnische Präsidentin hatte soeben ihren traditionellen åländischen Hecht verzehrt, als die Nachricht sie erreichte. Jetzt stand sie hier, mit dem Hubschrauber herbeigeholt, und hielt eine offizielle Willkommensrede für die Außerirdischen, in der sie, sichtbar ergriffen vom Ernst der Stunde, ihnen Frieden und Gesundheit wünschte. Anschließend überreichte sie ein Geschenk, eine handgeschnitzte finnische Zither, auf der die Besucher zerstreut klimperten. Hunderte von Fernsehkameras sendeten surrend direkt in die ganze Welt. Hinter der Polizeiabsperrung begannen die Besucher im Birkenknick herumzustolpern, nahmen Proben von Laub und Zweigen und fingen Mücken und Regenwürmer in metallische Tüten ein. Ab und zu schoben sie ihre Visiere auf, und dann leuchteten die Kamerablitze grell wie Gewitterblitze.
    Aber ziemlich schnell kamen Gerüchte auf. Alles war natürlich nur ein geschickt inszenierter Bluff. Die Besucher waren nur verkleidete Schauspieler, und das Fahrzeug war in einem bulgarischen Filmatelier hergestellt worden. Arto Liinanki selbst war Mitwirkender im größten practical joke aller Zeiten. Nicht zuletzt die Kirchen der ganzen Welt erhoben ihre skeptischen Stimmen. Nirgends in der Bibel stand etwas von Außerirdischen. Der Herr hätte niemals solche Missgeburten geschaffen. Und schon am gleichen Abend gelang es dem Pfingstgemeindeprediger Juhani Peltola, sich durch die Polizeikette zu zwängen und zu dem nächststehenden Besucher zu gelangen. Peltola packte resolut die Gummimaske und versuchte sie mit aller Kraft herunterzureißen, wobei ihm jedoch im nächsten Moment der Zeigefinger von dem messerscharfen Schnabel des Wesens elegant abgebissen wurde. Der gesamte Hergang wurde immer und immer wieder in allen Nachrichtensendungen der ganzen Welt gezeigt, und die Zweifler verstummten.
    Bereits am folgenden Tag war es den Besuchern gelungen, ein vollkommen verständliches Finnisch zu programmieren. Mit Hilfe ihrer tragbaren Computerboxen konnte man nun miteinander kommunizieren.
    »Wo kommt ihr her?«, riefen die Reporter. »Wer seid ihr? Was ist eure Botschaft an die Menschheit?«
    Die Besucher hörten zu und interpretierten die Fragen in aller Ruhe. Anschließend erklärten sie, dass die Fragen zu früh gestellt worden seien. Zu gegebener Zeit würde man sich schon äußern.
    In den folgenden Wochen lernten die Besucher noch einige weitere Dutzend Erdensprachen. Sie verfolgten sämtliche Rundfunk- und Fernsehsendungen des Planeten, luden sich ein paar Millionen Homepages aus dem Netz herunter und kopierten alles an öffentlichem Material, was sie über die naturwissenschaftliche, ethnische und soziologische Entwicklung des Planeten erhalten konnten.
    Anschließend luden

Weitere Kostenlose Bücher