Das Locken der Sirene (German Edition)
Sie langsam“, fügte sie grinsend hinzu.
„Sie haben eine sehr optimistische Einstellung in Bezug auf den bevorstehenden Lektoratsprozess. Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen erklärte, Sie müssten die zehn bis zwanzig Seiten aus dem Werk streichen, die Ihrer Meinung nach das lebendige, schlagende Herz Ihres Romans sind?“
Sie schwieg eine Minute lang. Ihre Augen wurden glasig, und sie schien sich an einem dunklen Ort zu verlieren. Er sah, wie sie langsam durch die Nase einatmete, den Atem anhielt und dann durch den Mund ausatmete. Sie richtete ihre unheimlichen grünen Augen auf ihn.
„Dann würde ich Ihnen sagen, dass ich schon einmal das lebendige, schlagende Herz aus meiner eigenen Brust geschnitten habe“, sagte sie. Ihre Stimme klang jetzt nicht mehr so flapsig wie bisher. „Ich habe diese Amputation überlebt. Dann werde ich das, was Sie von mir verlangen, wohl auch überstehen.“
„Darf ich fragen, warum Sie so wild darauf sind, mit mir zu arbeiten? Ich habe auch meine Arbeit gemacht, Ms Sutherlin. Sie haben eine fanatische Fangemeinde, die Ihre Telefonrechnung kaufen würde, wenn man sie als Hardcover herausbrächte, um sich darauf einen runterzuholen.“
„Ich bin auch in Französisch sehr gut.“
Zach biss die Zähne zusammen. Er spürte die ersten Anzeichen eines drohenden Kopfschmerzes. „Hat Ihr ‚Praktikant‘ nicht gesagt, Sie würden sich irgendwann beruhigen?“
„Mr Easton.“ Sie rollte mit dem Bürostuhl nach hinten und legte die Füße auf den Schreibtisch. „So bin ich, wenn ich ruhig bin.“
„Das habe ich befürchtet.“ Zach stand auf. Er wollte gehen.
„Dieses Buch“, fing sie wieder an und verstummte. Sie nahm die Füße vom Tisch und setzte sich mit gekreuzten Beinen auf ihren Stuhl. Plötzlich wirkte sie sehr ernst und zugleich schrecklich jung.
„Was ist damit?“
Sie senkte den Blick und schien nach den richtigen Worten zu suchen. „Es … bedeutet mir etwas. Es ist nicht noch so eine von meinen kleinen schmutzigen Geschichten. Ich bin zu Royal gekommen, weil ich bei diesem Buch alles richtig machen will.“ Sie hob den Kopf und schaute ihm genau in die Augen und sagte ohne jeden Anflug von Leichtfertigkeit oder Frohsinn: „Bitte. Ich brauche Ihre Hilfe.“
„Ich arbeite nur mit seriösen Autoren.“
„Ich bin keine seriöse Person. Das weiß ich. Aber ich bin eine ernsthafte Autorin. Schreiben ist eine von zwei Sachen auf dieser Welt, die ich sehr ernst nehme.“
„Und was ist die zweite?“
„Die katholische Kirche.“
„Ich denke, wir sind hier fertig.“
„Sie sind also gar kein richtiger Lektor“, neckte sie ihn, als er sich zum Gehen wandte. „Es ist noch viel zu früh für das Ende. Das weiß selbst ich, obwohl ich keine Lektorin bin.“
„Ms Sutherlin, Sie verbinden offenbar viele Emotionen mit diesem Buch. Das ist gut, um es zu schreiben, aber es schmerzt, ein Buch zu lektorieren, das man so sehr liebt.“
„Ich mag es, etwas zu machen, das wehtut.“ Sie schenkte ihm ein Schmunzeln, das ihn an die Grinsekatze denken ließ. „J. P. sagt, Sie sind der Beste. Ich glaube, er hat recht. Ich werde alles tun, was ich muss. Ich mache alles, was Sie verlangen. Ich werde Sie sogar anflehen, wenn es mich weiterbringt. Ich gehe vor Ihnen auf die Knie und bettle Sie an, wenn es Ihnen was bringt.“
„Ich gehe jetzt.“
„J. P. hat auch gesagt, man nennt Sie im Büro den Londoner Nebel“, sagte sie, als er ihr den Rücke zuwandte. „Liegt das an dem langen Mantel? An Ihrem Akzent oder an Ihrer Gabe, jedem Anflug von guter Laune einen Dämpfer zu verpassen?“
„Das zu entscheiden, überlasse ich ganz Ihnen.“
„Sagen Sie mir, was ich tun soll, und ich werde es tun“, rief sie.
Insgeheim bewunderte Zach ihre Beharrlichkeit. Allerdings konnte er nicht glauben, dass er wirklich in Erwägung zog, diese Sturheit zu belohnen.
„Ein Autor schreibt“, sagte er und drehte sich dann zu ihr um. „Schreiben Sie mir etwas. Irgendwas Gutes. Mir ist egal, wie lang es ist, und mir ist egal, worum es geht. Beeindrucken Sie mich einfach. Sie haben vierundzwanzig Stunden. Zeigen Sie mir, dass Sie unter Druck in der Lage sind, etwas zu erschaffen, und ich werde darüber nachdenken.“
„Sie wären überrascht, was ich alles unter Druck vermag“, erwiderte sie. Doch Zach hatte da so seine Zweifel. Der Hausboy, die Witze, das Flirten – nein, sie war keine seriöse Autorin. „Irgendwelche Vorschläge?“, fragte sie. Dieses Mal wirkte
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