Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
wird es Dir sicher möglich sein, Dich für sechs oder sieben Monate beurlauben zu lassen. Ich bin davon überzeugt, dass Du diese Zeit der Muße und bar der beruflichen Pflichten auf andere Weise produktiv nutzen könntest.
Sicher würde es auch für Deine Frau reizvoll sein, den Trubel der Großstadt vorübergehend gegen das ruhige und beschauliche Leben auf dem Land einzutauschen. Darüber hinaus hat Heidelberg, das mit dem Wagen in maximal zwanzig Minuten zu erreichen ist, kulturell nicht weniger zu bieten als etwa Düsseldorf. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass unsere beiden Autos hierbleiben und selbstverständlich zu Eurer Verfügung stehen. Auch Euren Kindern würde ein längerer Aufenthalt mitten im Grünen gut bekommen. Besonders Julia erschien mir bei meinem Besuch etwas blass, eine Tatsache, die wohl auf Mangel an frischer Luft zurückzuführen ist. Nun, darunter braucht sie bei uns nicht zu leiden, der große Garten ist speziell für die Kinder ein idealer Spielplatz.
Überlege Dir mein Angebot, Florian, aber Du müsstest Dich innerhalb der nächsten drei Wochen entscheiden. Wir sollen am 1. April unsere Arbeit in Princeton aufnehmen, möchten aber wenigstens vierzehn Tage vorher abreisen, um uns mit den dortigen Verhältnissen vertraut zu machen. Solltest Du wider Erwarten meinen Vorschlag ablehnen, so lass es mich baldmöglichst wissen, damit wir noch eine andere Lösung finden können.
Für heute verbleibe ich mit den
besten Grüßen, auch an Ernestine
und die Kinder,
Dein Bruder Fabian
»Mangel an frischer Luft!«, empörte sich Tinchen. »Ich möchte mal wissen, wie dein Bruder aussehen würde, wenn man ihm gerade die Mandeln rausgenommen hat! Aber der besitzt wahrscheinlich gar keine. Der ist ja schon ohne Fehl und Tadel auf die Welt gekommen.«
»Reg dich doch nicht über solche Kleinigkeiten auf! Sag mir lieber, was du von Fabians Vorschlag hältst.«
»Gar nichts!«, fauchte sie wütend. »Dienstmädchen spielen für eine Horde verzogener Halbstarker, die bloß Pullover mit dem Krokodil drauf tragen und in den Sommerferien nach Kenia fahren. Papa bezahlt’s ja!«
»Wenn du auf Clemens’ Urlaubsreise anspielst, dann musst du aber auch gerecht sein. Er ist von einem Freund eingeladen worden, weil dessen Vater dort unten ein deutsches Hotel leitet und den beiden ein Doppelzimmer kostenlos zur Verfügung gestellt hat. Den Flug hat er selber bezahlt und dafür drei Wochen auf dem Großmarkt gearbeitet.«
»Na schön. Aber Rüdiger hat sich eine unanständige Bräune auch nicht auf der heimischen Terrasse geholt. Der war in Portugal.«
»Dahin ist er getrampt. Und genächtigt hat er in einem Schlafsack am Strand. Ich weiß ja nicht, ob dir das vier Wochen lang gefallen würde.«
»Ich bin ja auch keine siebzehn mehr«, giftete sie zurück.
»Nein, du bist ein missgünstiges altes Weib, das sich vor der Verantwortung drücken will, seine schutzlose und zum Teil noch minderjährige Verwandtschaft unter seine Fittiche zu nehmen. Dabei würden wir das doch mit links machen«, sagte Florian und ging vorsichtshalber hinter dem Schreibtisch in Deckung. Aber die sonst übliche Attacke mit allen erreichbaren und nicht immer unzerbrechlichen Wurfgeschossen blieb aus. Tinchen hatte sich wieder in den Brief vertieft. »Klausdieter ist gar nicht erwähnt. Dürfen wir den etwa nicht mitnehmen?«
»Für Fabian ist ein Hund kein Familienmitglied, sondern bestenfalls ein Gegenstand, und Gegenstände führt man nicht extra auf. Natürlich kommt Klausdieter mit. Wer soll denn sonst den Garten umgraben?«
Klausdieter, das Produkt eines illegalen Schäferstündchens zwischen der edlen Dackeldame Mona von der Waldheide und einem Pudelmischling niederer Herkunft, war vor einem halben Jahr von seinen Besitzern heimlich ins Tierasyl abgeschoben worden, weil dieser so sichtbare Fehltritt den ganzen Stammbaum derer von der Waldheide ruiniert hätte. Anlässlich einer Reportage über vierbeinige Findlinge hatte Florian das kleine Häufchen Unglück entdeckt und kurzerhand mit nach Hause genommen. Ein vollwertiger Ersatz für den verstorbenen Hund Bommel, ebenfalls ein Findling, wenn auch italienischen Geblüts, war er zwar noch nicht, zeigte aber die besten Ansätze. Genau wie sein Vorgänger lehnte Klausdieter die artgemäße Fertignahrung ab und trat in einen mehrstündigen Hungerstreik, wenn er nicht das bekam, was sein Frauchen auch aß. Dass die Auswahl nicht groß war und meistens auch aus der Dose kam,
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