Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
geweigert, die dort verursachten Geräusche als Musik zu bezeichnen und ihnen einen angemessenen Platz in seinem Kulturteil einzuräumen –, aber da sich der Chefredakteur nur in Ausnahmefällen um die Lokalseiten seiner Zeitung kümmerte, interessierte sich auch Fräulein Fröhlich nicht dafür. Außerdem hatte die Lokalredaktion die meisten freien Mitarbeiter, von denen viele stundenlang im Schreibsaal herumhingen und ihre Zwölf-Zeilen-Meldungen zusammenschmierten, häufig unrasiert, aber immer sehr geräuschvoll und sehr vorlaut – nein, mit dieser Spezies Mensch wollte Fräulein Fröhlich so wenig wie möglich zu tun haben. Und mit dem Häuptling des ganzen Vereins schon überhaupt nicht.
»Was wichtig ist und was nicht, überlassen Sie bitte mir«, sagte Florian patzig. »Außerdem ist es privat.«
»Wenn Sie schon wieder Vorschuss brauchen, dann muss ich Sie enttäuschen. Herr Jerschke hat erst kürzlich die Anweisung gegeben, dass Vorschüsse von ihm selbst …«
»Ich habe in den letzten drei Monaten keinen Vorschuss gebraucht und werde auch in Zukunft keinen brauchen!«, unterbrach Florian die Stimme seines Herrn. »Ich möchte lediglich den Sperling … äh, den Dr. Vogel sprechen, und zwar noch heute.«
Vorsorglich überhörte Fräulein Fröhlich den hausinternen Spitznamen ihres Chefs und blätterte gelangweilt im Terminkalender. »So gegen halb acht könnte ich für Sie ein paar Minuten einschieben«, gestattete sie gnädig und kritzelte eine entsprechende Notiz aufs Papier, »aber wahrscheinlich werden Sie warten müssen. Dr. Vogel hat vorher eine Besprechung mit dem Verleger.«
»Ich warte gern«, versicherte Florian, »ganz besonders in Ihrer Gesellschaft.«
Bevor sie überlegt hatte, ob es sich nun um eine Anzüglichkeit oder um eins der seltenen Komplimente handelte, die man ihr gönnte, war Florian schon zur Tür hinaus.
Vergnügt pfiff er vor sich hin, während er über den langen Flur stapfte. Er würde heute Abend bestimmt nicht warten müssen. Es war allgemein bekannt, dass der Herr Verleger niemals später als neunzehn Uhr fünfzehn das Haus verließ, um pünktlich zum Beginn der Tagesschau in Meerbusch vor dem Bildschirm zu sitzen. Dort notierte er die ihm wichtig erscheinenden Meldungen und prüfte am nächsten Morgen, ob sie auch die gebührende Würdigung in seiner Zeitung gefunden hatten. Da das fast immer der Fall war, herrschte zwischen ihm, dem Chefredakteur und Herrn Dr. Mahlmann, seines Zeichens Leiter der Politik, bestes Einvernehmen. Allerdings ahnte er nicht, dass seine Frau jeden Abend das Notizblatt vom Schreibtisch nahm, von der Küche aus ein kurzes Telefongespräch mit der Redaktion führte und den Zettel anschließend wieder zurücklegte. So war der häusliche Friede gesichert, der ohnehin zu hohe Blutdruck ihres Mannes nicht zusätzlich gefährdet, und die Jungs im Pressehaus brauchten sich nicht unnütz den Kopf zu zerbrechen. Es waren doch alles so reizende Leute! Niemals vergaßen sie, zu ihrem Geburtstag Blumen zu schicken, und der Präsentkorb zum 40. Hochzeitstag im vergangenen Jahr musste ein Vermögen gekostet haben.
Als er sein kleines und äußerst spartanisch eingerichtetes Büro betrat, konnte Florian vor lauter Rauchschwaden nichts erkennen – nur vermuten. »Jetzt habe ich dein Zeilenhonorar schon zum dritten Mal erhöht, und noch immer qualmst du diesen billigen Knaster. Der legendäre russische Machorka kann auch nicht schlimmer sein.« Er tastete sich zum Fenster durch und öffnete beide Flügel. »Du kriegst Hausverbot, wenn du weiterhin deine alten Matratzen in die Pfeife stopfst!«
»Die sind immer noch gesünder als deine namenlosen Glimmstängel«, verteidigte sich Peter Gerlach, klopfte aber dennoch seine Pfeife aus und steckte sie in die Tasche. »Wieso bist du schon hier? Du kommst doch sonst nie vor zehn. Und ich hatte geglaubt, hier in Ruhe meinen Bericht fertig pinnen zu können. Nicht mal auf deine Unpünktlichkeit ist mehr Verlass.«
Offiziell war Gerlach Gerichtsreporter, schrieb aber unter einem Pseudonym die wöchentliche Klatschspalte, wer wo mit wem und wann, kannte Gott und die Welt und kam Florian im Augenblick wie gerufen.
»Sag mal, Peter, weißt du nicht jemanden, der eine möblierte Wohnung mieten möchte?«
»Nee«, erklärte der rundheraus. Und dann: »Warum? Ist einer aus der Verwandtschaft gestorben?«
»Das nicht gerade, aber ich kenne jemanden, der seine Wohnung ein halbes Jahr lang nicht braucht und
Weitere Kostenlose Bücher