Das mach' ich doch mit links: Roman (German Edition)
empor, machte aber keine Anstalten, seine warme Behausung zu verlassen.
»Los, du Faultier, komm schon! Ich will auch ins Bett. Wenn du jetzt nicht deinen Stammbaum besuchst, pinkelst du heute Nacht wieder den Philodendron an, und du weißt genau, dass ich dann von deinem Frauchen eins aufs Dach kriege.«
Im Schneckentempo schob sich Klausdieter über den Flur. Er hatte nicht die geringste Lust, bei dieser Kälte spazieren zu gehen, nur weil Herrchen das so wollte. Bei solchem Wetter jagte man keinen Hund auf die Straße. Vorsichtig steckte er die Nase durch den Türspalt, zog sie aber sofort wieder zurück und stemmte sich mit allen vier Pfoten gegen die Zumutung, die warme Wohnung gegen die schneebedeckte Vorortstraße einzutauschen.
»Das ist gar kein richtiger Hund!« Florian schnappte sich das Tier und klemmte den sich heftig sträubenden Halbdackel unter seinen Arm. »Bommel ist ganz verrückt nach Schnee gewesen.«
»Der war auch größer und hing nicht immer mit dem Bauch im Kalten«, verteidigte Tinchen ihren geschmähten Liebling. »Und jetzt macht endlich, dass ihr rauskommt. Es zieht.«
Während Florian frierend im Hauseingang stand und darauf wartete, dass Klausdieter die ihm genehme Marschroute einschlug, überlegte er, dass ein Garten außer lästigem Rasenmähen auch unbestrittene Vorteile hatte. Fabians war sehr groß und hatte viele Büsche hinten am Zaun. Einer davon würde sich bestimmt als neuer Stammbaum eignen.
Frau Antonie ist dagegen
G uten Morgen, Herr Bender«, sagte Fräulein Fröhlich, als Florian das Vorzimmer zum Allerheiligsten betrat. »Herr Dr. Vogel ist nicht im Hause und wird auch vor dem frühen Abend nicht zurück sein. Ich kann Sie für morgen Vormittag vormerken, wenn es etwas Wichtiges ist.«
Im Gegensatz zu ihrem Namen zeigte Fräulein Fröhlich eine ausgesprochen sauertöpfische Miene, die durch das Pferdegesicht und die unkleidsame Frisur noch unterstrichen wurde. Portierszwiebel nannte Florian insgeheim den Dutt, um den das korrekte Fräulein Fröhlich stets ein dünnes Haarnetz trug, damit sich auch nicht ein Härchen selbstständig machen konnte. Innerhalb der Redaktion ging das Gerücht, Frau Vogel selber habe seinerzeit die Sekretärin für ihren Mann ausgesucht und von vornherein alle Bewerberinnen abgelehnt, die Nagellack benutzten, Miniröcke trugen und unter dreißig waren. Nichts von dem konnte man Fräulein Fröhlich nachsagen. Sie war bereits auf der falschen Seite der Dreißiger angekommen, bevorzugte Jackenkleider mit dreiviertellangen Röcken und hatte stets kurz geschnittene Fingernägel. Sie sah ungemein tüchtig aus und war es auch.
»Kein Wunder, dass der Chef so erfolgreich ist«, hatte Florian einem Kollegen gegenüber geäußert. »Er hat eine Frau, die ihm sagt, was er tun soll, und eine Sekretärin, die es tut.«
Nur beliebt war Fräulein Fröhlich nicht, aber das war ihr gleichgültig. Sie genoss das Vertrauen ihres Vorgesetzten, wurde von dessen Gattin regelmäßig am zweiten Sonntag im Dezember zum Adventskaffee eingeladen und bekam alle drei Jahre Gehaltserhöhung. Morgens war sie fast immer die Erste im Büro, und abends häufig die Letzte, wie sie es für ihre Pflicht hielt, auch das pünktliche Kommen der Besenbrigade zu überwachen. Deshalb verwaltete sie neben vielem anderen auch noch die Schlüssel der Gerätekammer.
»Ein Privatleben scheint die überhaupt nicht zu kennen«, hatte Gerlach, der Gerichtsreporter, vermutet, und Florian hatte geantwortet: »Was den meisten als Tugend erscheint, ist um die vierzig herum nichts anderes als Mangel an Gelegenheit.«
Nein, beliebt war die Chefsekretärin keineswegs, aber eben sehr tüchtig und folglich unkündbar. So hämmerte sie noch jetzt minutenlang auf ihre Maschine ein, bevor sie wieder den Kopf hob und Florian fragend ansah. »Ich sagte Ihnen bereits, dass Herr Dr. Vogel nicht da ist.«
»Das habe ich auch zur Kenntnis genommen«, erwiderte Florian freundlich. »Sie sagten aber auch, er käme noch heute zurück, und dann hätte ich ihn gern gesprochen. Es handelt sich in der Tat um etwas sehr Wichtiges.«
»Was kann bei Ihnen schon wichtig sein!« Die Lokalredaktion rangierte bei Fräulein Fröhlich ganz unten, obwohl sie für die Leser des Tageblatts zu den wichtigsten Ressorts gehörte. Immerhin war sie für alle gesellschaftlichen Veranstaltungen zuständig, also für den Brieftaubenwettbewerb genauso wie für Rockkonzerte – Dr. Laritz hatte sich bisher immer
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