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Das Maedchen am Klavier

Das Maedchen am Klavier

Titel: Das Maedchen am Klavier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosemarie Marschner
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Erläuterungen an. Sein Tonfall wurde immer schärfer. Der Richter mahnte ihn zur Mäßigung, erreichte damit aber nur das Gegenteil. Blaurot im Gesicht und immer wieder nach Atem ringend, berichtete Friedrich Wieck über Robert Schumanns Affäre mit Ernestine von Fricken, die er schmählich verlassen habe, als sich herausstellte, dass sie nichts erben würde. Er erzählte, dass sich Robert Schumann »aus Dummheit, Trotz und unsinnigem Widerspruch« einen Finger gelähmt habe und dass er seine »Neue Zeitschrift für Musik« mit so viel Trägheit und Eigendünkel führe, dass eine Pleite nur noch eine Frageder Zeit sei. Robert Schumann sei ein Trinker ohne jede höhere Erziehung und werde deshalb von der menschlichen Gesellschaft gemieden. Er habe eine mystisch träumerische Wesensart, die man nur fürchten könne.
    Der Richter versuchte mehrmals, Friedrich Wieck zu unterbrechen. Doch weder ein Hämmern auf den Tisch noch laute Zurufe nahm dieser wahr. Mit jedem Wort steigerte er sich mehr in seine Wut hinein, dass sich Dr. Einert schließlich zufrieden lächelnd zurücklehnte und Robert Schumann siegesgewiss zunickte.
    Doch Robert Schumann bemerkte nicht, was ihm sein Anwalt sagen wollte. Er hörte nur die Worte seines früheren Lehrers, den er einst bewundert hatte, und konnte so viel Verachtung kaum ertragen: »Kunstreisen zu unternehmen ist für eine Frau überhaupt schon sehr bedenklich. Aber in Begleitung dieses Mannes mit Erfolg Konzerte zu geben ist für meine Tochter geradezu unmöglich. Dieser Mann ist in höchstem Grade träge, unzuverlässig, unfügsam, trotzig, widerspenstig, eigensinnig, kindisch und unmännlich. Er ist – mit einem Wort – für das soziale Leben verloren. Er kann nicht verständlich sprechen und nicht leserlich schreiben. Er kann sich in kein Verhältnis fügen und nichts zur rechten Zeit tun. Er hält seine Zusagen und Versprechungen nicht und ist der musikalischen Virtuosität abhold. Wie soll ein solcher Mann Clara auf Kunstreisen begleiten? Er würde ihr nur schaden und ihr auf jede Weise im Wege stehen.«
    Erst jetzt hielt Friedrich Wieck inne. Für kurze Zeit war sein Gesicht noch so rot wie während der ganzen Rede. Danach aber erbleichte er plötzlich und schwankte. Schnell setzte er sich und stützte sich auf den Tisch. Dann aber erhob er sich noch einmal, als hätte er das Wichtigste vergessen. »Ich muss es noch einmal bekräftigen«, fügte er mit einer Stimme hinzu, die auf einmal so leise und schwach war, dass sich der Gerichtsdiener schon darauf vorbereitete, ihn aufzufangen. »Ich muss hinzufügen, dass eine Verbindung dieses Menschen mit meiner Tochter Clara die sichere Quelle namenlosen Familienunglücks wäre.«
    Von nun an schwieg er, den Kopf gesenkt. Kein einziges Mal blickte er zu Clara hinüber, die gegen ihr Schuldgefühl ankämpfte.
    Dr. Einert behielt recht. Mit seinem uneinsichtigen Auftreten bei der Verhandlung hatte Friedrich Wieck seiner Sache nur geschadet. Schon Mitte Januar 1840 wies das Gericht seine Einwände gegen die Eheschließung ab. Nur der Vorwurf der Trunksucht blieb vorläufig noch bestehen. Den beiden Parteien wurde eine zweiwöchige Frist eingeräumt, in der sie ihre Beweise beziehungsweise Gegenbeweise vorlegen sollten.
    Mit Hilfe seines Anwalts sammelte Robert Schumann eine Reihe von Zeugen, die ihm zur Seite stehen wollten. Friedrich Wieck selbst habe regelmäßig an den abendlichen Zusammenkünften im »Kaffeebaum« und in anderen Weinhäusern teilgenommen, erklärten sie. Bei diesen Gelegenheiten habe sich Robert Schumanns Verhalten in keiner Weise von dem der übrigen Anwesenden unterschieden. Neben einzelnen Leipziger Bürgern erklärten sich vor allem die Davidsbündler solidarisch und auf dessen eigenen Wunsch auch Felix Mendelssohn.
    Auch Friedrich Wieck bemühte sich um Zeugen. Doch niemand war bereit, gegen Robert Schumann auszusagen. Außer sich vor Enttäuschung reichte Friedrich Wieck noch im selben Monat eine »Deduktionsschrift« ein, in der er erklärte, in den Kreisen, denen seine Tochter entstamme, sei es nicht üblich, dass eine Ehefrau erwerbstätig sei. Robert Schumann kalkuliere jedoch Claras Gagen in sein Familienbudget mit ein. Das sei nicht zulässig und daher ein Ehehindernis. Ein Mann vom zweifelhaften Ruf eines Robert Schumann sei gar nicht in der Lage, eine großbürgerliche Ehe zu finanzieren.
    So wurde das Verfahren noch weiter in die Länge gezogen. Auf Friedrich Wiecks »Deduktionsschrift« folgte Robert

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