Das Mädchen Ariela
wimmern wie ein angeschossener Schakal. Dann stürzte er plötzlich auf die Knie und rutschte auf dem Ziegelboden zu Narriman, die Hände erhoben, ein Bild der Verzweiflung. »Erbarmen!« schrie er. »Erbarmen! Habt Erbarmen!«
Narriman warf die Tür zu und schloß ab. Sie hörte, wie Mahmud mit dem Kopf gegen das Holz schlug und weinte. Sie blieb einen Augenblick stehen und hörte sich das an. Dann ging sie zufrieden davon. Es war ein Abschied gewesen, wie sie ihn ersehnt hatte.
Die kräftige Seeluft tat Dr. Schumann gut. Sie schien das Gift aus seinem Körper zu verjagen. Stundenlang lag er auf einem zusam menklappbaren Ruhebett, sah über die anrollenden Wellen, atmete die Salzluft ein und fühlte, wie ihn neue Kraft erfüllte.
Ariela Golan war nach Jerusalem gefahren, um vor einem Gremium von Generälen über ihre Erlebnisse in Amman auszusagen. Es waren wenige auserwählte Herren, die von Dayan zur völligen Geheimhaltung verpflichtet wurden. Vor allem das Projekt der Bakterienbombe war lebenswichtig für Israel. Daß die arabische Seite mit solchen Mitteln Krieg führen wollte, schuf für Israel eine neue Situation. Einig war man sich sofort in einem Punkt: Dieser heimtückische Krieg mit einer Epidemie, mit einer schleichenden Krankheit über das ganze Land, war das Schrecklichste, was modernes Völkermorden ersinnen konnte. Hier half auch keine Anklage vor der UNO … wer wollte beweisen, daß eine Krankheit absichtlich unter ein Volk gesät würde?
In diesen Tagen war Moshe Rishon allein mit Dr. Schumann am Strand von Herzlia. Sie lagen nebeneinander unter einem Sonnensegel, betreut von zwei Krankenschwestern und einer militärischen Ordonnanz. Sie lasen die Zeitungen, die man ihnen jeden Morgen brachte, sie hörten im Radio die neuesten Meldungen, die nicht immer gut waren.
Der Krieg war zu Ende, aber er ging trotzdem weiter. Die arabische Welt traf sich auf Konferenzen, deren einziges Thema war: Beginnt einen neuen Heiligen Krieg!
Jeden Tag brachten riesige Transportmaschinen Panzer und Geschütze aus Rußland. In den ägyptischen Mittelmeerhäfen stauten sich die sowjetischen Schiffe mit Kriegsmaterial, mit Medikamenten, mit russischen Offizieren und Technikern, die die ägyptischen Soldaten an den neuen Waffen ausbilden sollten. Selbst die Propaganda lief erfolgreich. Die Staaten, die noch vor fünf Wochen Israels Blitzsieg gefeiert hatten, wurden skeptisch und zurückhaltender. Die zweihunderttausend jordanischen Flüchtlinge, die über den Jordan gezogen waren und nun in Massenlagern in der Wüste vegetierten, ernährt von der UNO, von christlichen Hilfsorganisationen und Spenden, Menschen ohne Hoffnung, ohne Zukunft – dieses Heer der Flüchtlinge wurde zum Ankläger gegen Israel. Man zeigte Bilder von verdurstenden ägyptischen Soldaten in der Sinai-Wüste … man zeigte Fotos von Müttern, die ihre verhungerten Kinder emporhoben … man zeigte die leeren Dörfer der arabischen Siedlungen diesseits des Jordans, Geisterhäuser, durch die israelische Soldaten schritten … Das Bild der Allenby-Brücke ging um die Welt, wo sich Tausende von Flüchtlingen durch die Eisentrümmer über schmale Holzstege zum anderen Ufer des Jordans tasteten, dort auf die Erde fielen und die Fäuste gegen Israel erhoben.
Kaum einer sprach noch davon, daß man vor fünf Wochen die Israelis ins Meer treiben wollte. Niemand erinnerte sich mehr daran, daß der Beginn des Krieges nur ein Sprengen der Fesseln war, in die man Israel geschnürt hatte. Daß Jerusalem nun eine ungeteilte Stadt war, in der jeder leben konnte, war einmal bejubelt worden … nun hatten die Diplomaten Bedenken und sprachen von historischen Rechten. Zu Tausenden standen die Juden an der Klagemauer und beteten …, aber nach dem Schock der Niederlage kam der Haß wieder hervor, und die Araber Jerusalems sahen finster auf die Pilgerzüge, die zum Heiligtum zogen. Flugblätter wurden bereits wieder verteilt, in geheimen Kellerdruckereien hergestellt. Sie riefen zum Widerstand auf, zum Streik, zum Partisanentum, zur Sabotage. »Ganz Israel ein Schlachtfeld!« riefen diese geheimen Flugblätter. »Werft euch wie Bremsklötze vor die Räder der Juden! Werdet Widerstandskämpfer! Der Krieg hat erst begonnen …«
»Sie sehen, Doktor, daß unser Land noch schwere Zeiten vor sich hat«, sagte Moshe Rishon am Strand von Herzlia. »Wir haben nur eine Schlacht gewonnen, während wir dachten, endlich den Frieden errungen zu haben. Es ist die Tragik unseres
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