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Das Mädchen, der Koch und der Drache: Roman (German Edition)

Das Mädchen, der Koch und der Drache: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, der Koch und der Drache: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luo Lingyuan
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in die Küche. Mit einem rohen Hühnerei kehrt sie zurück. »Willst du ein Ei essen? Setz dich an den Tisch. Mama kocht es dir gleich.«
    Doch der Junge fängt an zu zittern und fegt der Mutter das Ei aus der Hand. Es fliegt auf den Boden, und seine Schale zerbricht. Eiweiß und Dotter machen sich auf dem Teppich breit.
    »Was ist nur in dich gefahren, du Trottel?« Die Mutter verpasst dem Sohn eine Kopfnuss, bevor sie versucht, ihren Teppich zu retten. Mit beiden Händen formt sie eine Schüssel und schöpft einen Teil der Flüssigkeit auf.
    Während die Mutter mit der Rettung des Teppichs beschäftigt ist, gluckst und schluckt der Sohn. Dann rollt er die Augen. »Zerbrochen. Kaputt. Weg.« In seiner Stimme schwingt Erleichterung, nein Begeisterung mit. Seine Augen leuchten für eine kurze Weile wie bei einem Patienten mit Fieber, dann erlischt das Licht wieder. Er schlurft in sein Zimmer und legt sichins Bett. Als die Mutter endlich mit dem Teppich fertig ist und zu ihm kommt, scheint er bereits fest zu schlafen.
    Doch die Mutter sieht nur die Schuhe, die er nicht ausgezogen hat, und beginnt wieder zu schimpfen. Als sie ihm die Schuhe von den Füßen zerrt, merkt sie, dass der Sohn zittert. Sie hält inne, dann hört sie auf zu schimpfen, sagt ein paar besänftigende Worte und deckt ihn behutsam zu, bevor sie leise das Zimmer verlässt.
    Ins Wohnzimmer zurückgekehrt, hört Yeye das eigene Herz in der Brust flattern. Hastig sucht sie ihr Handy.
    Mendy hockt im Café Melancholie und starrt auf die Straße. Neben ihr sitzt Oswald, der an seinem Cappuccino nippt und ständig zu ihr hinschielt, um ihre Stimmung zu prüfen. Er hat sie fünfmal anrufen müssen, um sie zu diesem Treffen zu überreden. Nun sitzen sie wieder an einem Tisch, doch zur Versöhnung, die Oswald sich wünscht, will es einfach nicht kommen.
    Dabei sitzen sie schon seit einer ganzen Weile da. Es läuft so: Oswald redet den ganzen Tisch voll, aber wenn Mendy dann an der Reihe wäre, gibt es nur Schweigen. Schafft er es schließlich doch, sie zum Sprechen zu bringen, bedecken ihre Worte noch nicht einmal ihre Untertasse.
    »Willst du wirklich aus der Band austreten?«, fragt Oswald. »Wir haben doch gerade erst angefangen und können noch so viel erreichen. Komm, Mendy, lass uns wieder zusammen üben. Als Musiker hab ich dichschließlich nicht enttäuscht, oder?«
    »Nimm doch deine Freundin Peipei. Sie brennt darauf, eurer Band beizutreten.« Mendy starrt in die Luft, als spräche sie mit einer Seifenblase.
    »Weißt du, wenn du den Willen dazu hättest, wärst du längst ein Star«, sagt Oswald.
    Mendy presst die Lippen zusammen und schaut demonstrativ aus dem Fenster.
    Oswald berührt ihren Ellbogen. »Gut, ich kapituliere, du eiserne Lady. Wir trennen uns auch musikalisch in Freundschaft und trinken nur ab und zu einen keuschen Kaffee zusammen, okay? Schenk mir wenigstens noch ein Lächeln. Sonst schreie ich. Ganz laut.«
    Mendy schickt ein kleines Lächeln in die gewünschte Richtung, ohne den Empfänger dabei anzusehen. Dann hält sie das Gesicht der Mittagssonne entgegen und schließt die Augen. Die Anspannung, die ihren Körper zusammenschnürt, fällt für einen Augenblick von ihr ab. Jetzt macht sie den Eindruck, als könnte sie endlich ihr eigenes Leben genießen.
    Oswald grinst und knufft sie in die empfindliche Flanke. Wie erwartet, fängt sie an zu kichern. Aber in diesem Moment klingelt ihr Handy. Als sie Yeyes Stimme hört, weiß Mendy sofort, dass wieder ein neues Unheil über die Familie hereingebrochen ist. Sie horcht eine kurze Weile, dann springt sie auf. »Ich muss weg«, sagt sie.
    »Lass nur. Wenn du Hilfe brauchst, ruf mich einfach an«, hört sie Oswald sagen, als sie ihr Portemonnaie zückt. Sie steckt ihr Geld wieder ein und wirft ihmeinen fliegenden Kuss zu, ehe sie losrennt.
    Kaum hat die Wohnungstür sich geöffnet, spürt Mendy die Nervosität ihrer Stiefmutter. Yeye flüstert etwas ins Handy, bevor sie es hektisch zuklappt. Ein prüfender Blick hinter Mendys Rücken ins Treppenhaus, als hätte sie Angst vor Einbrechern. Noch ehe Mendy sie etwas fragen kann, dirigiert Yeye sie mit dem Zeigefinger auf den Lippen zur Küche. Erst als sich die Küchentür hinter ihr schließt, macht Yeye den Mund auf. »Die wollen uns fertigmachen«, sagt sie.
    Mendy blickt erschrocken auf. Die Stimme der Stiefmutter klingt so schrill, als könne sie jeden Augenblick in den Wahnsinn abstürzen. »Wer? Was?«, fragt Mendy. »Was ist mit

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