Das Maedchen und der Luegner
Ich ... ich habe. . . es geht mir ähnlich wie Ihnen«, gestand
sie dann mindestens ebenso verlegen. Als er noch immer nichts sagte, drehte sie sich hastig um und trat ans Fenster. »Hätte ich das nicht sagen sollen?« fragte sie leise.
Mit ein paar Schritten war der Mann neben lhr. »Tanja«, seine Stimme klang heiser, »Tanja, ich liebe dich. Warum habe ich das nur nicht gleich erkannt? Ich bin nämlich.., ich habe dich nämlich. .
Sanft legte Tanja einen Zeigefinger auf seine Lippen. »Wie lange habe ich mir schon gewünscht, dass du dies zu mir sagen würdest. Schon damals, als ich dich im Fernsehen sah, hatte ich das Gefühl, dich eine Ewigkeit zu kennen. Ich habe dich gesucht, wusstest du das? Nein, das habe ich dir nie erzählt. Nur Frau von Tarlton habe ich alles gestanden, zumindest um hundert Ecken herum. Direkt hab ich es ihr natürlich nicht gesagt, es wäre mir zu peinlich gewesen.«
»Natürlich hast du mit ihr geredet, das hätte ich mir denken können. Sie ist deine Vertraute, nicht wahr? Übrigens spricht auch sie von niemandem mehr als von dir.«
»Du verstehst dich ebenfalls sehr gut mit ihr, das hab ich auch schon bemerkt.« Noch immer konnte Tanja den Zusammenhang nicht erraten. Ihr war zwar aufgefallen, dass Severin öfter mit der lieben alten Dame zusammen war, doch in ihrer Harmlosigkeit suchte sie keine Erklärung dafür.
Ihre Blicke trafen sich, und Tanja lächelte voller Glück. »Als Doktor Wollner mir diese Stelle besorgte, hätte ich nie geglaubt, dass ich dich wirklich finden könnte«, flüsterte sie. »Ich habe es aber so gehofft. Und nun bist du Gärtner bei denselben Leuten, bei denen ich Gesellschafterin bin. Ist das nicht mehr als ein Zufall? Sag noch einmal, dass du mich liebst. Bitte, Severin, sag es, ich will es hören.«
»Ich liebe dich, Tanja. Ich liebe dich mehr, als ich sagen oder im Moment zeigen kann.« Severin hätte sich ohrfeigen können. Wieder einmal war die Chance, ihr alles zu gestehen, verpasst. Doch er musste beichten und zwar so schnell wie möglich. Im Augenblick jedoch hatte er das Bedürfnis, etwas ganz anderes zu tun. Zärtlich nahm er Tanjas Hände und blickte ihr tief in die Augen. »Wie schön du bist.« Seine Stimme vibrierte. »Vom ersten Tag an, als Max dich vom Bahnhof holte, habe ich gespürt, dass etwas Seltsames mit mir geschehen ist. Noch nie zuvor habe ich so etwas erlebt.« Liebevoll fuhr er mit der rechten Hand durch ihr seidiges Haar.
Tanja schloss die Augen. Sie ahnte, was jetzt kommen würde. Ihr Traum erfüllte sich. Der Traum von einem Mann, in den sie sich verliebt hatte, noch ehe sie ihn überhaupt kennengelernt hatte.
Das Leben ging seltsame Wege, doch alle führten ans Ziel. Und Tanja glaubte sich am Ziel ihrer Träume; Hätte sie geahnt, was ihr bevorstand, dann hätte sie Severins Kuss wahrscheinlich nicht zugelassen.
So jedoch genoss sie jeden Augenblick seiner Umarmung, fühlte seine Lippen auf den ihren und wünschte nichts sehnlicher, als dass dieser Moment nie vergehen würde. Doch alles ist vergänglich: die Stunden des Glücks, aber auch die Stunden der Trauer. Das ist die Gerechtigkeit, die alles ausgleicht im Leben.
***
Die elegante, schwarzhaarige Frau, die an diesem Morgen ihrem schnittigen roten Sportwagen entstieg, schien sich auf Gut Dreieichen ausgezeichnet auszukennen. »Sie können ihn in die Garage fahren, Max«, herrschte sie den alten Mann an, der diensteifrig auf sie zugelaufen kam. »Ich habe vor, eine Weile zu bleiben, zumindest solange, bis meine Eltern kommen, um mich abzuholen. Allein zu Hause ist es mir zu langweilig. Wo steckt Severin überhaupt? Ich dachte, er würde zumindest einen roten Teppich ausrollen, wenn ich komme.«
Max verzog das Gesicht. Es war ihm ganz offensichtlich nicht recht, dass Besuch gekommen war. »Der Herr ist heute Vormittag in die Stadt gefahren«, antwortete er knapp. »Ich bin sicher, dass er in der nächsten Stunde wieder zurück sein wird. Sie kennen sich ja aus. Ihre Räume sind bereits gerichtet.« Distanziert nahm er die Autoschlüssel entgegen und setzte sich ans Steuer des Sportwagens.
Gerade als die Besucherin zum Haus gehen wollte, fuhr Severins Wagen vor. Der Mann stieg aus und kam auf sie zugelaufen. »Du, Gloria?« fragte er verblüfft. In seinem Gesicht war alles andere als Freude zu lesen. »Ich habe erst nächste Woche mit dir gerechnet.« Hastig suchte er mit den Blicken die Fensterfront ab, um erleichtert festzustellen, dass Tanja nirgends
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