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Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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diesem Eiter verdorben worden ist, wird nie wieder derselbe sein. Niemals.«
    Stumm verfiel er ins Brüten und gab sich der Leere hin, die er empfand. Er ging die Dokumente auf seinem Schoß lustlos durch und überlegte, welche Anfragen er vor seiner Abreise noch genehmigen sollte. Eine Sippe Fahrender wollte ihr Lager auf dem Land der Diözese aufschlagen. Er zerriss das Dokument in kleine Stücke. Das nächste Schreiben enthielt die Bitte von Nonnen des Augustiner-Ordens, ein Kloster in Lübeck errichten zu dürfen. Was ging ihn das noch an? Wenn er das überlebte, würde er sich immer noch darum kümmern können. Schließlich nahm der Bischof eine Feder und setzte sein Zeichen unter einen Großen Ablass für die neue Pestbruderschaft, die sich dem heiligen Blasius weihte. Sie hatte gerade eine beträchtliche Summe gespendet, die jetzt des Bischofs Reisekasse ausmachen würde. Im Gegensatz zur üblichen Praxis hatte der Bischof damit zugestimmt, die Mitglieder der Bruderschaft auch von schweren Sünden freizusprechen. Vierzig Tage lang mussten sich die angesehenen Mitglieder dieser Bruderschaft keine Gedanken um die Freisprechung durch einen Priester machen, wenn ihr Leben in Gefahr war, denn der Ablass vergab ihnen ihre Sünden – auch jene, die sich zu den bereits begangenen noch hinzugesellen würden. Diese Bruderschaft würde sich keine Sorgen wegen der Pest machen müssen.
    Irgendwann griff Bischof Arnold den zerknüllten Brief in seinem Schoß wieder auf, der Trunk kribbelte ihm wohlig auf der Zunge. Der Herr hatte ihm durch den Kollegen eine Warnung zukommen lassen. Nun lag es an ihm, wie er sie nutzte. Sollte er sie dem Rat zukommen lassen? Der würde vermutlich so lange für einen Entschluss brauchen, dass die Pest dann bereits die halbe Stadt ausgelöscht hätte. Arnold besaß auch die Macht, die Ankunft der Pest nach der Predigt verkünden zu lassen. Doch wie erklärte man den Gläubigen, denen man sonst die Vergebung der Sünden und das Reich des Herrn anpries, dass Beten und Beichten den Schwarzen Tod nicht fernhalten würden? Doch vielleicht war genau dies die Botschaft, die der Herr Lübeck senden wollte. Dass die Stadt trotz seiner Größe und Macht nicht gegen Gottes Richtspruch angehen konnte. Ironischerweise würde das Jahr 1465 vermutlich als eines der ertragreichsten dieses Jahrhunderts in die Kirchengeschichte Lübecks eingehen. Bittmessen, Totenmessen, Schenkungen an die Kirche, das Einrichten und Betreuen von Vikarien in den Gotteshäusern, der Verkauf von Ablässen …
    Der Bischof hatte stets gewusst, dass er nicht vollkommen war, und es hatte ihn gewurmt, dass Gott seine Seele mit einem widerspenstigen Körper und einem schwachen Willen ausgestattet hatte. Eine leichte Übelkeit überkam Arnold. Er hatte Durst. »Thomas? Der Bierkrug.« Seine Zunge war plötzlich schwer und taub.
    Arnold hatte sich sein Leben lang gefragt, warum Gott den Menschen so sündhaft erschaffen hatte. Warum ein beschränktes und unvollkommenes Wesen schaffen, das stets fehlging und Buße tun musste, anstatt Kreaturen zu formen, die vollkommen waren? War dies ein grausamer Gott, der seinen Kindern nicht mehr zugestehen mochte? Oder war Gott gar nicht allmächtig, da er keine vollkommeneren Kinder hatte erschaffen können? Für solche Gedanken war schon so mancher Ketzer auf den Scheiterhaufen gekommen …
    »Thomas?«, fragte Arnold mit Mühe, denn sein Mund war so trocken. Doch auch auf die neuerliche Bitte reagierte der Bursche nicht. Der Bischof fröstelte, ihm brach kalter Schweiß aus. Seine Brust schmerzte, und die Taubheit hatte sich inzwischen auch auf die Finger und Zehen ausgebreitet. Jetzt merkte Bischof Arnold, dass etwas nicht stimmte. Er erhob sich zittrig. Der dunkle Raum hatte sich in Gelb- und Grüntöne gefärbt.
    »Was …«, würgte er heraus, als ihn Krämpfe in seinen Eingeweiden in die Knie zwangen und schließlich vornüberfallen ließen. Der Bischof hielt sich den Leib. Alle Versuche, um Hilfe zu rufen, endeten in unwürdigem Lallen. Übelkeit übermannte ihn, und er erbrach sich. Doch die Schmerzen wurden nur noch bohrender.
    Eine eiskalte Faust hatte sich um seinen Brustkorb gekrampft. Er wusste nicht, wie lange er nach Luft rang und versuchte, zu schreien. Er wollte Thomas anflehen, ihm zu Hilfe zu kommen. Schließlich, als sich sein Blick zu trüben begann, entdeckte er in der dunklen Kammer eine fremdartige Gestalt, die hinter seinem Stuhl hervortrat. Dunkel und doch blass ragte sie

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