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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Kindern», versuchte Marie zu trösten. «Das kann Euch keiner nehmen.»
    Doch am nächsten Tag traf eine Nachricht ein, mit der keiner gerechnet hatte. Der Nördlinger Bundestag war überstürzt aufgelöst worden. Der Grund: Herzog Ulrich hatte mit seinen Truppen die Landesgrenze überschritten. Er marschierte gegen Stuttgart.

35
    Alle hatten sich verrechnet und getäuscht im Wirtemberger: Mit der Niederlage seines französischen Gönners bei der Kaiserwahl hatte er keineswegs aufgegeben, im Gegenteil. Nicht im fernen Mömpelgard hatte er sich aufgehalten, sondern in der nahen Pfalz, wo er wie die Katze auf dem Sprung gelauert und einige hundert Reiter und Fußknechte um sich gesammelt hatte. Als dann die Bündischen vorschnell ihr Heer zu reduzieren begannen, sah er seinen Augenblick gekommen.
    Sabina vermochte keine Nacht mehr ruhig zu schlafen. Jeden Morgen wartete sie mit rotgeränderten Augen auf die Ankunft der Kuriere, die mit neuen Zeitungen in der Münchner Residenz eintrafen. Ulrichs Angriff war so überraschend gewesen, dass er in einem einzigen kühnen Zug bis Stuttgart vorstoßen konnte, dessen Tore er seit Mitte August belagerte.
    So nah war sie ihrem Ziel gewesen, ihrem kleinen, bescheidenen Lebenstraum – nächste Woche schon hatte sie mit Marie zurückkehren wollen. Sollte jetzt alles umsonst gewesen sein? Sollte sie nun mit ansehen müssen, wie Ulrich Stück für Stück das Land zurückeroberte? Und die Kinder – würde er ihr wieder die Kinder nehmen?
    Jeder Tag der Ungewissheit machte sie rasender. Schließlich suchte sie ihren Bruder auf. Wilhelm musste helfen, er war doch ihr eigen Fleisch und Blut.
    «Die Kinder! Ich flehe dich an, Wilhelm. Hol die Kinder aus Tübingen weg, bevor es zu spät ist. Du hast doch Männer genug.»
    Der Baiernherzog verzog den Mund zu einem bitteren Lächeln.
    «Selbst wenn ich wollte – mir sind die Hände gebunden.Wir haben strikte Order des neuen Kaisers: Keinesfalls darf der Thronfolger außer Landes.»
    «Das ist nicht wahr! Es sind meine Kinder, verstehst du nicht? Wie kann der Kaiser über sie bestimmen? Sie sind in Gefahr!»
    Wilhelm schüttelte den Kopf. «Mach dir keine Sorgen. Kaiser Karl hat einige seiner besten Männer zu ihrem Schutz abgestellt.» Er blickte sie prüfend an. «Sabina, ich warne dich: Solltest du etwas auf eigene Faust unternehmen, bist du deine Kinder schneller los, als du denkst. Und zwar auf immer!»
    Da wurde ihr klar: Ihr Sohn war zum Faustpfand im Spiel der Mächte geworden. Er sollte in der Gewalt der Habsburger bleiben, bis eine neue Regierung unter der Vormacht nicht der Baiern, vielmehr der Habsburger möglich war. Hatte ihr Großneffe noch nicht genug? Karls Wahlspruch lautete: plus ultra – immer weiter! Die ganze Welt wollte er sich untertan machen. Würde er also bald auch Herzog von Wirtemberg sein?
    Am selben Tag, an dem Sabina erfuhr, dass die Stuttgarter Herzog Ulrich jubelnd die Tore geöffnet und ihn einem Erlöser gleich mit dem Lied «Christ ist erstanden» empfangen hatten, an diesem Tag erhielt sie auch ein Schreiben von Dietrich.
    Sie hatte sich in ihre Schlafkammer zurückgezogen und starrte die Schriftrolle an, ohne sie zu öffnen. In ihrem Innern tobte ein nicht minder heftiger Gewittersturm als der, der draußen an den Fenstern rüttelte. Der Entschluss, Nördlingen zu verlassen, bevor Dietrich eintraf, und dafür auf die Teilnahme an der Bundesversammlung zu verzichten, war ihr alles andere als leichtgefallen, aber sie hatte sich gesagt, dass Ludwig und Eck ihre Sache schon verfechten würden und sienicht zuletzt umso schneller zurück bei ihren Kindern sein konnte. Denn sie hatte Dietrich um keinen Preis begegnen wollen. Nichts sollte mehr ihren Lebensplan durcheinanderbringen, hatte sie sich in Nördlingen geschworen, auch nicht eine längst vergangene Liebe. Aber war sie denn vergangen? Warum öffnete sie dann nicht diesen Brief?
    Der Himmel hatte sich zu einer schwarzen Wand verdunkelt, und sie musste das Licht anzünden, als sie endlich doch das Siegel erbrach und das Papier aufrollte.
     
    Euer Fürstlich Gnaden! Hochverehrte Herrin Sabina von Wirtemberg! Gottes Gruß zuvor, und ich hoffe, Euer Liebden ist bei guter Gesundheit.
    Ich schreibe Euch diese Zeilen in der Ahnung, dass Ihr vor Sorge vergeht um Eure Kinder und um die Lage in Eurem Land. Daher möchte ich Euch dringlichst bitten: Verliert nicht den Mut und die Zuversicht. Auch wenn wir auf dem Bundestag nichts haben ausrichten können,

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