Tanz auf dem Regenbogen
1
Die Katze sah mich wieder mitleidig an.
»Mein Herz ist nicht gebrochen«, sagte ich. »Ich betrauere lediglich das Dahinscheiden des Thousand Island Dressings.«
Die Katze sagte natürlich nichts. Es gab auch nicht viel zu sagen. Es war mitten im Winter in New York und, soweit ich mich erinnern konnte, das erste Mal, daß alle Village Irregulars aus der Stadt geflohen waren. Auf solche Erfahrungen kann man gut verzichten, in New York kommt es jedoch durchaus vor, allein zu sein. Wie mein von uns gegangener Bruder Tom Baker einmal sagte: »Es gibt Schlimmeres im Leben als allein zu sein.« Dazu gehörte, eine Katze anzuschauen, die einen mitleidig ansah.
»O.k.«, sagte ich, »Stephanie ist bei einem ihrer üblichen Familienurlaube auf einer Privatinsel in der Karibik, wo reiche Leute sich amüsieren. Ratso ist mit seiner schwarzen, für den Globe schreibenden Freundin Christy irgendwo in Montauk, wo er sich vermutlich als Ghostwriter für eine weitere Howard Stern Autobiographie betätigt, die sehr wahrscheinlich nicht das literarische Niveau des Globe erreicht, sich aber mit Sicherheit genauso gut verkaufen wird.«
Die Miene der Katze bekam einen Stich ins Säuerliche. Sie mochte Howard Stern nicht. Sie mochte Don Imus nicht. Sie mochte Rush Limbaugh nicht. Sie hatte keinerlei Respekt vor jemandem, dem Millionen Menschen zuhörten. Ich war mir unsicher, ob da nicht was dran war. Ich hatte genug Schwierigkeiten, meine kleine Konversation mit der Katze am laufen zu halten.
»McGovern ist irgendwo auf Hawaii, wo er frenetisch Rezepte für sein neues Buch Eat, Drink and Be Kinky sammelt. Das ist wirklich der Name des Buches. Und, um beim literarischen Thema zu bleiben, man mag es glauben oder nicht, Rambam überarbeitet in Israel das Manuskript für sein neues Buch Nice Jewish Boy (How a Kid from Brooklyn Chased Nazis, Terrorized Terrorists, Made the Russians Nervous, and Had a Good Time). Verdammt, selbst Chinga ist weg. Er hat seinen Abschluß im Hauptfach Poesie geschafft und eröffnet jetzt in Miami eine weitere Filiale seiner Werbeagentur. Es wäre besser, wenn er in der Nähe bliebe, weil er der Einzige ist, der sich diese Bücher leisten kann. Das zeigt mal wieder, daß man mit dem, was man sich wünscht, vorsichtig sein sollte, weil man es wahrscheinlich nicht bekommt.«
Die Katze war irgendwann, während ich Rambams Buchtitel zitierte, eingenickt, also beschränkte ich mich auf den Versuch eine angerauchte Zigarre mit einem Kinderfeuerzeug anzuzünden, während ich in die sich verdichtende Tristesse der Vandam Street hinunter starrte. In Wahrheit kann man natürlich nie wirklich wissen, ob eine Katze eingeschlafen ist oder nicht. Sie könnte nur vortäuschen zu schlafen. Sie könnte tot sein. Andererseits könnte man selbst auch tot sein. Ich setzte meine weitschweifige Erzählung fort wie ein Mann, der nichts zu verlieren hat und verzweifelt versucht, seine verlorene Geliebte zurückzugewinnen.
»Ich bin auch mal abgehauen«, sagte ich, »und weißt du, was passiert ist?« Die Katze lag mittlerweile rücklings auf dem Tresen und warf mir einen grünen, ziemlich abgegessenen Blick zu. Es war klar, daß sie sich nicht die Bohne dafür interessierte, was passiert war.
»Ich sag dir, was passiert ist«, sagte ich, ohne mich von dem offensichtlichen Mangel an Empathie meiner felinen Gesellschafterin entmutigen zu lassen. »Ich bin abgehauen und ungefähr zwei Wochen später sah ich in den Rückspiegel und da war ich wieder.«
Und hier war ich immer noch, dachte ich, und wurde mir vage meines schattenhaften Spiegelbilds in der Fensterscheibe bewußt. Hier war ich und versuchte, mich mit einer Katze zu unterhalten, die den Eindruck machte, sie sei kürzlich von einem Besuch beim Präparator zurückgekehrt. Hier war ich und mühte mich ab, ein kleines Plastikding in Gang zu setzen, das dazu gedacht war, kleine Kinder zu schützen und Amateurdetektive in den mittleren Jahren zu irritieren, die alleine in ihren Lofts mit ihren Katzen lebten und die in einer kurzen Verschnaufpause zwischen ihren Fällen versuchten, ihre halbgerauchten Zigarren zu entfachen, von ihren halbtoten Lebensgeistern gar nicht zu sprechen.
Hier war ich und »hing an einem Speichelfaden«, wie Stephanie DuPont es so schön ausgedrückt hatte. Sie hatte das natürlich auf meine Beziehung zu ihr bezogen, aber im Moment beschrieb das ganz gut meine Beziehung zum Rest der Welt. Man kann eben nicht von kleinen
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