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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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war – auch danach hatte er keinerlei Anstalten getroffen, seine vertragliche Pflicht zu erfüllen. Dabei war er geradeso wie Sabina von Baiern an die Heiratsabrede gebunden. Stattdessen ging plötzlich das Gerücht, Ulrich denke an eine Verbindung mit der Tochter des Pfalzgrafen Philipp, und dann wieder, er habe ein Aug auf eine Anverwandte geworfen: auf Prinzessin Elisabeth von Brandenburg, ein Fräulein voll Anmut, das bei seiner Tante in Nürtingen wohnte.
    Oftmals sei er dorthin geritten, begleitet von einem Zinkenbläser, der der Prinzessin auf die Nacht ein Ständchen blasen musste. Sogar ein Lied habe Ulrich ihr gedichtet, ein ergreifendes Jagd- und Liebeslied mit dem Titel «Ich schell mein Horn ins Jammertal», das, auf Flugblättern gedruckt, bald die Runde in ganz Schwaben machte! Darin klagte er in wehvollen Worten, wie er von seiner wahren Liebe lassen und eine ihm aufgezwungene Braut heimführen müsse.
    Nicht so sehr Sabina, die sich immer noch eine Wende ihresSchicksals erhofft und ihre Zeit im geliebten München genossen hatte, als vielmehr ihre Mutter und ihre Brüder empfanden diese Gerüchte als eine schier unerträgliche Schmach. Dem heldenhaften jungen Fürsten waren die Erfolge und die Gunst des Kaisers ganz offenbar zu Kopf gestiegen, und unter den Ratgebern bei Hofe machte das Bibelwort die Runde: Wehe dem Land, dessen Herrscher ein Kind ist.
    Von der schönen Elisabeth ließ Ulrich offenbar erst ab, als diese nach Pforzheim verheiratet wurde an den badischen Markgrafen, und auf heftigen Druck des Habsburger Kaiserhauses schließlich bequemte sich der junge Herzog, Sabina nach Stuttgart zu holen – besser: beordern zu lassen. Denn statt seiner selbst erschien zu Beginn des Jahres 1511 ein reitender Bote in München mit dem herzoglichen Schreiben, dass im März, auf Sonntag Sankt Agnes, die Feierlichkeiten für das herzogliche Beilager in Stuttgart angesetzt seien. Da die bairische Herzogsfamilie zu diesem Zeitpunkt ohnehin im nahen Heidelberg weile, anlässlich der Verheiratung von Prinzessin Sabinas Schwester, würden sich die beiden Ereignisse trefflich verbinden lassen.
    Als Sabina an jenem milden Januarmorgen die Nachricht in den Händen hielt, ahnte sie, dass es mit ihrem unbeschwerten Leben vorbei sein würde an der Seite dieses Mannes, in diesem armseligen Land namens Wirtemberg. Längst hatten den Münchener Hof nämlich noch ganz andere Gerüchte erreicht, Gerüchte von Ausschweifungen bei Hofe und ständig wechselnden Mätressen, von Ulrichs zügelloser Leidenschaft für das Glücksspiel und für wochenlange Sauhatzen, für seine Verschwendungssucht anlässlich der zahllosen Festbankette und prunkvollen Turniere, die er, ganz à la mode, mit seinem Bundesgenossen aus Kriegstagen, dem einhändigen Reichsritter Gottfried von Berlichingen, in alter Ritterherrlichkeitveranstaltete. Das Ärgste indessen, was man über Ulrich hörte, waren seine im ganzen Land berüchtigten Anfälle von Jähzorn. Es hieß, er habe einmal einem Trommler seiner Hofkapelle die Stöcke in den Rachen gestoßen, weil der aus dem Takt geraten sei. Das ist nur Tratsch, dachte Sabina immer wieder, das ist bestimmt nur böser Tratsch.
    Ein ums andere Mal las sie den Wortlaut von Ulrichs Schreiben, bis ihr die Buchstaben vor Augen zu flimmern begannen. Dann rollte sie das Blatt zusammen und drückte es dem Kammerdiener in die Hand. Ihr war, als weiche alles Licht, alle Farbe aus dieser Welt, die Gobelintapeten und türkischen Bodenteppiche, die Polster der Sessel, die Samtvorhänge – alles wurde blass und fahl, selbst das Feuer im Kamin verlor seine Leuchtkraft, seine Wärme. Wie kalt ihr plötzlich war, wie eng im Hals, kaum bekam sie Luft.
    Sie rannte an dem verdutzten Diener vorbei aus dem Zimmer, die langgestreckten Gänge entlang, rasch die Treppe hinunter, hinaus in den trüben Morgen, an die Luft, wo sie tief Atem holte, dann weiter im Laufschritt in ihren Kammerpantoffeln über das schmutzige Pflaster hinüber zum Marstall, wo sie sich ihren Liebling satteln ließ, den hochbeinigen Rappen. Sie schwang sich hinauf im frischgewaschenen, frischgestärkten Hauskleid, mit eilig herbeigeschafften Lederschuhen an den Füßen und einem fleckigen Umhang als Schutz gegen die Kälte – so ritt sie los, in scharfem Trab durch die Gassen, dass die Menschen zur Seite sprangen, durch das Isartor hinunter zur Floßlände, wo die Taglöhner und Floßknechte gerade ihre Arbeit aufnahmen, weiter in die Auen und Wälder,

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