Das Mädchen und die Herzogin
Herzog die Hand auf die Schulter.
«So mag Euer Liebden ermessen, wie hoch auch wir Eure Person und Euren Stamm erachten, indem wir Euch Prinzessin Sabina zur Frau geben.» In ihren Augen stand mütterliche Wärme. «Seid willkommen im Hause Wittelsbach, als Sohn und Bruder.»
Ulrich entspannte sich. «Habt Dank.» Er schenkte seiner zukünftigen Schwiegermutter ein Lächeln.
«So lasst uns denn», Wilhelm trat neben ihn, «an diesem Ort der Familientradition die Heiratsabsprache mit Handschlag noch einmal bestätigen.»
Da geschah etwas Ungeheuerliches: Ulrich verschränkte die Arme auf dem Rücken.
«Ihr habt mein Wort – reicht Euch das nicht?»
Verblüfft starrte Wilhelm ihn an. In seine Wangen stieg die Röte jugendlichen Zorns. Sabina konnte ihm ansehen, dass er dem Gast am liebsten eine Maulschelle verpasst hätte. Doch Gott sei Dank blieb er gefasst. Schließlich war er kein Edelknabe mehr, sondern das – wenn auch noch minderjährige – Oberhaupt des Hauses Wittelsbach.
«Gut, gut.» Wilhelm räusperte sich. «Wir verlassen uns ganz auf Euer Wort. Und nun lasst uns hinübergehen, in die Neuveste. Ihr könnt sicher eine Stärkung leiden nach der langen Reise.»
«Wenn Ihr verzeiht – Wir möchten uns lieber noch ein wenig in unsere Kammer zurückziehen. In einer Stunde etwa finden Wir uns dann gerne an Eurer Tafel ein.»
Ulrich verbeugte sich in unbestimmte Richtung und verließ dann, ohne seine Braut noch eines Blickes zu würdigen, den Ahnensaal. Mit einem Mal herrschte betroffene Stille im Raum.
Sabina presste die Lippen aufeinander. Was dachte sich dieser Kerl eigentlich? Und dann dieses affektierte Gerede in der Wirform – als ob er der Kaiser höchst selbst sei! Brüsk drehte sie sich zur Wand, damit keiner sehen konnte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen.
«Ich sage euch», platzte Ludwig schließlich heraus, «das war höchst erniedrigend. Und wie er unsere Schwester behandelt hat!»
«Du hast recht, Bruderherz. Gehen wir ihm nach.»
«Niemand wird ihm nachgehen.» Die alte Herzogin erhob sich aus ihrem Sessel. «Zeigen wir ihm lieber, was Anstand und Sitte wirklich bedeuten. Lassen wir ihm seinen Willen und empfangen wir ihn mit aller Herzlichkeit zum Nachtmahl.»
Jetzt konnte Sabina ihre Tränen nicht länger zurückhalten. «Er ist ein Scheusal!», rief sie mit erstickter Stimme.
Besänftigend nahm Kunigunde ihre Hand.
«Nein, Sabina. Er ist kein Scheusal. Er ist noch jung und ohne Eltern, ohne Erziehung aufgewachsen. Sein Dünkel wird sich abschleifen, du wirst sehen.»
«Mutter, ich will diesen Mann nicht heiraten», schluchzte Sabina.
«Aber mein Kind! Die Ehe ist keine Frage des Wollens, sondern eine Frage der Pflicht. Und für uns Frauen, sofern wir uns nicht zum Dienst an Gott berufen fühlen, ist sie eine Lebensaufgabe. Aber glaub mir, die Jahre werden vieles richten, auch bei dem jungen Wirtemberger. Oder meinst du, zwischen deinem Vater und mir hätte immer eitel Wonne geherrscht? Wir brauchten etliche Jahre, um zu unserer Liebe zu finden. Auch ich hatte deinen Vater einstmals nicht heiraten wollen und hatte mich doch ohne Murren gefügt.»
«Ja, weil Ihr ansonsten mit dem Sultan von Byzanz vermählt worden wäret! Das habt Ihr mir selbst erzählt.»
Ihre Mutter versuchte zu lachen, was ihr kläglich misslang.
«Du wirst doch wohl Herzog Ulrich nicht mit einem muselmanischen Sultan vergleichen.»
Sie wollte ihre Tochter in den Arm nehmen, doch Sabina machte sich los und stellte sich vor ihren Bruder.
«Bitte, Wilhelm. Als den Herzog von Baiern flehe ich dich, flehe ich Euch an: Lasst uns die Abrede rückgängig machen. Wenn erst das Jawort vor Gott gefallen ist, ist es zu spät.»
Wilhelms Miene verschloss sich. «Das ist nicht möglich. Vertrag ist Vertrag. Vater hat 32 000 Gulden vereinbart, die du als dein Heiratsgut in die Ehe mitnimmst. Trittst du zurück, müssen wir die Hälfte der Summe an Ulrich übergeben,als Entschädigung.» Er sah sie mitleidig an. «Ich wollte, ich könnte dir etwas anderes sagen. Aber ich verspreche dir: Wir Brüder werden immer auf deiner Seite stehen.»
2
Womit niemand gerechnet hatte: Ulrich von Wirtemberg besaß die Unverfrorenheit, seine Braut zwei weitere volle Jahre warten zu lassen.
Für die Fürstenhöfe im Reich grenzte das Verhalten des jungen Herzogs an einen Skandal. Nicht nur, dass er nach dem Leichenbegängnis von Albrecht dem Weisen unverrichteter Dinge und ohne Braut ins Schwäbische heimgekehrt
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