Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Maedchen von Atlantis

Das Maedchen von Atlantis

Titel: Das Maedchen von Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
überraschte Mike, aber dann
begriff er, weshalb sich der Kapitän der NAUTILUS so
benahm. Nicht nur Mike hatte längst gespürt, daß er
und die anderen Trautman ebenso ans Herz gewachsen waren wie er ihnen. Er verbarg nur
seinen
Schmerz hinter seiner Ruppigkeit, um sich und ihnen
den Abschied zu erleichtern.
Hintereinander kletterten sie an Bord des kleinen
Bootes, Juan und Ben griffen nach den Rudern,
während André, Chris und Singh das Boot mit vereinten Kräften von der Bordwand der NAUTILUS abstießen. Zuerst schien es ihnen nicht zu
gelingen,
denn die Strömung drückte das Boot immer wieder
gegen das große Schiff, fast als hätte es einen eigenen
Willen und wollte ebensowenig hier weg wie Mike und
die anderen. Aber schließlich war der Abstand doch
groß genug, Juan und Ben tauchten ihre Ruder ins
Wasser und begannen zu pullen.
Während der ganzen Zeit wandte Mike den Blick
nicht von der NAUTILUS ab. Selbst als sie schon
längst vom Nebel verschluckt worden war, starrte er
unverwandt weiter in die Richtung, in der er das
Schiff wußte. Obwohl er sich fest vorgenommen hatte,
nicht zu weinen, konnte er die Tränen nun doch nicht
ganz unterdrücken - aber er war nicht der einzige.
Chris, der mit seinen neun Jahren der Jüngste von ihnen war, weinte ganz offen, aber auch André und sogar
Juan drehten ein paarmal den Kopf weg und wischten
sich verstohlen über die Augen. Lediglich Singh ließ
sich wie üblich keine Gefühlsregung anmerken, und
Ben - was auch sonst? - gab sich alle Mühe, seinem
Ruf als Miesepeter gerecht zu werden.
    »Wirklich toll«, kommentierte er, nachdem sie sich
ein gutes Stück von der NAUTILUS entfernt hatten.
»England befindet
sich wahrscheinlich schon im
Krieg mit den Deutschen, und dieser alte Narr will
das großartigste Schiff versenken, das jemals gebaut
wurde. Würden wir die NAUTILUS der britischen Marine zur Verfügung stellen, könnte sie den Verlauf
dieses Krieges entscheidend beeinflussen.«
»Halt die Klappe«, sagte André. Auch er starrte weiter
in den Nebel zurück, und in seinem Gesicht stand derselbe Kummer geschrieben, den auch Mike verspürte.
»Aber sicher, ich halte sofort den Mund«, maulte Ben.
»Ich meine - warum sollte ich auch was sagen? Die
NAUTILUS auf unserer Seite könnte ja nur vielleicht
Tausende von Menschenleben retten.«
»Oder aber kosten«, entgegnete Juan an Andrés Stelle.
Er seufzte. »Das haben wir doch schon oft genug
durchgekaut, oder?«
»Aber da wußten wir noch nicht, daß der Krieg
tatsächlich ausgebrochen ist. Das ist eine völlig andere Situation.« Ben hielt für einen Moment mit Rudern
inne und blickte Juan herausfordernd an. »Willst du
vielleicht, daß die Deutschen gewinnen?«
»Bitte schweig«, sagte Singh plötzlich. »Erweise ihm
diese letzte Ehre. Er hat sie wahrlich verdient.«
Mike blinzelte. Juan, André und selbst Chris hatten
auf einmal einen sehr sonderbaren Ausdruck auf dem
Gesicht, und Mike überfiel ein unbehagliches Gefühl.
»Was ... meinst du damit?« fragte er zögernd.
Singh wandte den Kopf und sah ihn aus
seinen
schwarzen, unergründlichen Augen an: »Wir werden
Trautman nicht wiedersehen, Herr. Er wird die NAUTILUS auf ihrer letzten Fahrt begleiten.«
»Das weiß ich«, antwortete Mike, »aber wieso -«
Er stockte. Dann begriff er - und fuhr so erschrocken
    in die Höhe, daß das winzige Boot wild auf dem Wasser zu schaukeln begann.
»Du meinst -«
»Er meint, daß Trautman mit der NAUTILUS untergehen wird«, fiel ihm Juan ins Wort. »Und jetzt sag bloß
noch, du hast das nicht gewußt!«
Aber genau so war es. Mike gestand sich ein, daß er
bis jetzt noch nicht einmal darüber nachgedacht hatte, was Trautman tun würde, nachdem er die NAUTILUS versenkt hatte.
Die Antwort war einfach: Er würde nichts tun, weil er
mit dem Schiff sterben würde. Er würde es irgendwo
versenken, wo das Meer tief genug war, daß der Wasserdruck es zermalmen würde, und Trautman würde
an Bord bleiben. Er liebte die NAUTILUS über alles
und hatte die letzten fünfzehn Jahre seines Lebens das
Schiff bewacht. Wenn es nicht mehr da war, hatte
auch sein Leben seinen Sinn verloren. Er würde zusammen mit der NAUTILUS untergehen: das Schiff,
das er fast ein Menschenleben lang beschützt und bewacht hatte, würde nun zu seinem Grab werden.
»Das ... das darf er nicht«, stammelte er. »Das lasse
ich nicht zu! Kehrt um! Rudert sofort zurück.«
Ben schürzte nur verächtlich die Lippen und pullte
weiter, während Juan ihn voll Mitgefühl

Weitere Kostenlose Bücher