Das Magische Labyrinth
Ethik auszeichnet, hatte X allen Grund, es zu meiden. Dann muß er diesen Grund aber auch schon gehabt haben, als der Turm gebaut wurde beziehungsweise sich im Planungsstadium befand. Ihm muß von Anfang an klargewesen sein, daß das Feld ihm keinen Eintritt gewähren würde.«
»Nein«, sagte Burton. »Das hätten die anderen seinem Wathan ansehen können. In diesem Fall hätten sie bemerken müssen, daß er degeneriert ist und sich verändert hat. Dann hätten sie sofort gewußt, wer von ihnen der Abtrünnige ist.«
Frigate sagte: »Vielleicht sah sein Wathan aber deswegen normal aus, weil er es mit Hilfe irgendeiner Apparatur verzerrte. Ich meine… vielleicht hat er ein Gerät benutzt, um seinem Wathan äußerlich Normalität zu verleihen. Damit hätte er nicht nur seine Kollegen, sondern auch das Abwehrfeld narren können.«
»Das ist möglich«, sagte Nur. »Aber wenn ein solcher Verzerrer existiert: Hätten dann nicht auch X’ Kollegen davon wissen müssen?«
»Nicht, wenn sie noch keinen gesehen hatten. Vielleicht hat X ihn selbst erfunden.«
»Außerdem«, sagte Burton, »mußte er irgendwo ein Versteck haben, damit er den Turm verlassen konnte, ohne daß jemand davon erfuhr.«
»Das würde voraussetzen, daß der Turm nicht mit einer Radaranlage ausgerüstet ist«, warf Frigate ein.
»Genau«, sagte Burton. »Denn wenn er eine hat, hätten die Ethiker sowohl die erste als auch die zweite Expedition nach dem Überqueren der Bergkette ausfindig gemacht. Mit einer Radaranlage hätten sie möglicherweise sogar die Höhle entdeckt. Na ja, vielleicht hätte man sich nichts Besonderes dabei gedacht. Nein, man hat den See und die Berge tatsächlich nicht mit Radar abgesucht. Und warum auch? Die Ethiker glaubten einfach nicht, daß jemand so weit kommen würde.«
»Wenn das, was der Rat der Zwölf dir gesagt hat, der Wahrheit entspricht, hat jeder von uns ein Wathan«, sagte Nur. »Du hast die ihren gesehen. Was ich aber nicht verstehe, ist, wieso sie so lange brauchten, um dir auf die Spur zu kommen. Sie hatten doch bestimmt eine Fotografie von deinem Wathan in dem großen Computer, von dem Spruce sprach. Ich nehme an, daß sie eine solche Aufnahme von jedem Wathan haben.«
»Vielleicht hat X dafür gesorgt, daß die Aufnahme meines Wathans nicht der Realität entsprach«, sagte Burton. »Möglicherweise war das auch der Grund, weswegen der Agent Agneau statt dessen eine Fotografie meines physischen Ichs bei sich hatte.«
»Ich glaube, daß die Ethiker irgendwo da oben Beobachtungssatelliten haben«, sagte Frigate. »Vielleicht haben sie dein Wathan damit aufzustöbern versucht, und es ist ihnen deswegen nicht gelungen, weil deins verzerrt war.«
»Hmm«, machte Nur. »Ich frage mich, ob man nicht auch die Psyche eines Menschen verändert, wenn man sein Wathan verzerrt.«
Burton erwiderte: »Erinnerst du dich vielleicht an de Marbots Bericht über Clemens’ Analyse der Beziehungen zwischen dem Wathan, dem Ka oder der Seele – nenn es, wie du willst – und dem Körper? Sein Schluß war: Das Wathan ist der Kern einer Person. Alles andere ergibt keinen Sinn. Es ist zwecklos, einem duplizierten Körper ein Wathan anzuhängen, weil das Duplikat nicht mit dem Original identisch ist. Es ist ihm ähnlich bis auf die neunundneunzigste Neun hinter dem Komma, aber nicht mit ihm identisch. Wenn das Wathan – oder die Seele – die Person selbst, der Sitz des Bewußtseins ist, verfügt das physische Gehirn über keine eigene Identität. Ohne Wathan würde ein menschlicher Körper zwar Intelligenz besitzen, aber kein Bewußtsein, kein Ego. Das Wathan benutzt den Körper, wie ein Mensch ein Pferd oder ein Automobil benutzt.
Vielleicht ist dieser Vergleich nicht ganz zutreffend. Die Kombination Wathan/Körper ähnelt eher einem Zentauren. Es ist eine Mischung. Der menschliche und der tierische Teil benötigen einander, wenn sie perfekt funktionieren wollen. Einer allein kann ohne den anderen nichts erreichen. Möglicherweise benötigt das Wathan sogar einen Körper, um sich seines Daseins bewußt zu werden. Es ist sogar ziemlich wahrscheinlich, daß die Ethiker behaupten, daß ein Wathan, das seinen Körper durch den Tod verloren hat, durch den Raum wandert, ohne sich seiner selbst oder irgend etwas anderem bewußt zu sein.
Doch laut unserer Theorie ist es der Körper, der das Wathan überhaupt erst erzeugt. Wie, entzieht sich meiner Kenntnis; ich kann nicht einmal mit einer Hypothese dienen. Aber ohne Körper
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